Woher kommt es eigentlich, dass Frauen in der Pfeifenherstellung seit jeher eine so bedeutende Rolle spielen?
Nun, ob bei den Seeschlachten des 19.Jh., im Sezessionskrieg, im ersten und zweiten Weltkrieg…stets waren die Männer als Soldaten im Einsatz. Mit die wichtigsten Güter, um sie bei Laune zu halten, waren der Tabak…ja und Pfeifen, natürlich. Wer hätte für den Nachschub sorgen sollen, wenn nicht die Frauen die Fabrikplätze besetzt hätten?
Doch, der Reihe nach. Ilana Krausman fand bei der Recherche für ihr Buch über das frühmodernistische England heraus, dass schon um 1620 Frauen in der englischen Tonpfeifenfertigung beschäftigt waren. Sie fanden vornehmlich bei der Glasur und Endbearbeitung der Pfeifen ihre Aufgaben.

In folgenden Zeiten gab es aber auch selbstständige Tonpfeifenbrennerinnen und einige größere Pfeifenbrennereien wurden von Frauen geführt und/oder waren in ihrem Besitz. Spätestens im Laufe des 19. Jh. wuchs die Rolle der Frauen in der Pfeifenfertigung Großbritanniens beträchtlich.
Anfang des 20 Jh. galt die schottische Metropole Glasgow als Zentrum der Pfeifenveredlung. Im Jahr 1909 wies das schottische Handelsregister 24 Fachbetriebe dafür aus-und alle waren im Besitz von Frauen. In England, speziell in Manchester und Newcastle, gab es zu dem Zeitpunkt ebenfalls 86 Frauen, die diesem Handwerk nachgingen. Besonders beachtlich, wenn man bedenkt, wie männlich dominiert die Pfeifenwelt gerade zu dieser Zeit war.
Auf der anderen Seite der Nordsee, in der holländischen Tonpfeifenhochburg Gouda, gab es ebenfalls seit Anfang des 18.Jh. viele Frauen in der Produktion. Hier ebenfalls vornehmlich im Bereich der Glasierung und der Endbehandlung. Aus Nordamerika sind aus dieser Zeit aber bereits aus verschiedenen Quellen Namen von Frauen überliefert, die ihre eigenen Tonprodukte herstellten, wozu natürlich auch Pfeifen zählten. So unterschiedlich das weltweit auch war, die Rolle der Frauen in der Tonpfeifenproduktion war gewichtig.

Kommen wir aber zum „Holzpfeifen-Zeitalter“. Verschiedene Forschungen weisen Sophia Isberg aus Motala in Schweden als erste Herstellerin von hölzernen Pfeifen aus. Sie lebte von 1819-1875 und ihre Pfeifenfertigung weist so hohe Stückzahlen aus, dass man sie getrost als erste, bekannte Pfeifenmacherin bezeichnen darf. Aus etwa der gleichen Zeit weiß man zudem von der Dänin Carla Nielsen und der Venezianerin Maddalena Bianchi. Bei den beiden Damen ist aber leider nicht überliefert, in welchem Maß sie Pfeifen fertigten.
Als in der Folgezeit die großangelegte Produktion der Bruyerepfeifen begann, nahm die Rolle der Frauen bei der Herstellung eher noch zu. Allerdings blieb die Rollenverteilung rätselhaft. Während das Geschick der Frauen im Umgang mit dem neuen Holz allerorten gelobt wurde, fanden sie sich ausschließlich in der Poliererei und der Endfertigung wieder.

Zum Beispiel waren im Jahr 1909 bei Kapp&Peterson 82 Personen beschäftigt, davon aber nur 19 Frauen, die ausnahmslos in der Poliererei arbeiteten. Ähnliches ist aus diesen Jahren aus dem französischen Jura bekannt. In St.Claude waren rund 1000 Menschen damit beschäftigt, im Jahr etwa 5 Mio. Pfeifen herzustellen. Frauen arbeiteten aber ausschließlich in der Poliererei, weil sie „diese Fertigkeit von ihren Müttern gelernt haben“. (Zitat aus einem Artikel dieser Zeit) Angeblich wollte man Frauen die harte, körperliche Arbeit der Pfeifenfertigung nicht zumuten. Ob das aber wirklich der einzige Grund war?

Nun, aber auch im kleineren, individuellen Kreis der Pfeifenmacher blieben Frauen die Ausnahme. So verzeichnen die Handwerksregister der riesigen USA im Jahre 1950 mit Anna und Louise Wilke ganze zwei Pfeifenmacherinnen. Zudem kam es bei den beiden Damen nicht von ungefähr, dass sie das Handwerk erlernten. 1937 berichtete der New York Telegram über den bekannten „Wilke Pipe Shop“ und die Überschrift lautete: „Ihr Vater hatte keine Söhne, denen er das Handwerk beibringen konnte. So lehrte er die Töchter, feine Pfeifen zu schnitzen.“ Übersetzt also sind Frauen allenfalls Pfeifenmacher zweiter Wahl? Das gibt schon eine ganz gute Antwort auf die, eben gestellte Frage, warum man keine Frauen in der Herstellung der Pfeifen fand.

Das Ansehen der Frauen, die Pfeifen fertigen, hat sich in den letzten Jahrzehnten zum Glück gewandelt. Ihre Motivation aber, zum Pfeifen machen zu finden, ist oftmals ganz ähnlich, wie 1937 bei den Wilkes. Meistens sind es befreundete oder zur Familie gehörende Männer, die ihr Wissen an die Frauen weitergaben, die man heute als erfolgreiche Pfeifenmacherinnen kennt.

Beispiele gibt es genug. Yuko Tokutomi ist die Tochter von Hiroyuki, Nanna Ivarsson ist die Tochter von Lars und die Enkelin von Sixten, Marlene Mikke ist die Tochter von Jørn Mikke, Anne Julie ist die Frau des verstorbenen Poul Rasmussen, Tine Loran ist die Tochter von Ib, Karin Romeo ist die Frau von „Mimmo“, Sara Mossberg die Ehefrau von Love Geiger…diese Reihe ließe sich fortsetzen.

Letztlich ist aber nicht die Motivation entscheidend, sondern das großartige Handwerk, mit dem diese Frauen die Pfeifenwelt bereichern.
Über lange Zeit war also die Rolle der Frau in der Pfeifenherstellung eine stille. Allenfalls in Notzeiten, wie zum Beginn des Artikels beschrieben, übernahmen sie die Majorität in den Pfeifenfabriken. So waren z.B. während des ersten Weltkrieges 110 Frauen und Mädchen damit beschäftigt, in der Missouri Meerschaum Company für den Nachschub an Maiskolbenpfeifen zu sorgen. Das gelang reibungslos und gut, deshalb ist es umso schwieriger verständlich, dass die Fertigung in Friedenszeiten wieder nahezu ausschließlich zur „Männersache“ wurde.

Nun, diese Zeiten haben sich zum Glück geändert. Nicht nur, dass inzwischen etliche Frauen namhafte und angesehenen Pfeifenmacherinnen sind…nein, es gibt auch (wieder) zunehmend Pfeife rauchende Frauen. Was z.B. im Dänemark der 80er,90er Jahre völlig normal war, nämlich Pfeife und Zigarre rauchende Frauen, sorgte in der übrigen Welt immer noch für belustigende Reaktionen, die von der Überraschung bis zur konsequenten Ablehnung reichten.
Dabei begann der „Sturm“ der Frauen auf die Männerbastion Pfeife schon vor fast 100 Jahren.
1932 veröffentlichte das US-Magazin „Printer`s Ink“ einen Artikel mit der Überschrift: „Blow some my way: will women turn in droves to pipe smoking?“Die New York Times titelt 1944:“Women turn to pipes!“Der „Brooklyn Eagle“ machte 1945 sogar mit der Schlagzeile:“ Take a deep breath and be prepared-ladies do want pipes“ auf.

Im Laufe der Jahrzehnte ebbte diese Panik aber merklich ab und machte der Vernunft und sogar der Erkenntnis Platz. So beschränkte die New York Times sich 1964 auf reine Erkenntnis, als sie titelte: „Women Are Switching To Cigars and Pipes“ und bis 2008 hatte sich dann die Einsicht in weiten Kreisen durchgesetzt, als der „Guardian“ in seiner Überschrift die simple Frage stellte:“ „Why should pipe-smoking be a hobby limited to man? “ (Wobei ich den Begriff „Hobby“ jetzt hier einmal unkommentiert stehen lasse.)
Ein langer Weg zur Akzeptanz, den ersten, nachgewiesenen „Women`s Pipe Smokers Club“ gab es schließlich schon 1926 in Chicago.
Warum aber gibt es im Jahr 2023 nicht noch deutlich mehr Pfeife rauchende Frauen? Nun, einmal hat die Cigarre einige Frauen für sich eingenommen, die das Image lieben, als „Cigar Lady“ zur Avantgarde zu gehören- da fehlt der Pfeife der Glamour.

Zum Zweiten sind alle Pfeife rauchenden Frauen, die mir bislang begegneten, spezielle Charaktere und Persönlichkeiten. Da ist es nicht anders, wie bei den Männern…das Wesen und die Pfeife müssen zusammenpassen und das ist halt nicht häufig der Fall. Daher bin ich auch kein Freund jedweder Kampagnen nach dem Motto:“ Lasst uns die Frauen an die Pfeife bringen.“ Nett und geschäftstüchtig gedacht-das wird aber nichts. Wer, ob Frau oder Mann, nicht den Wunsch verspürt, sein Leben mit der Pfeife zu teilen, wird nicht dauerhaft dabei bleiben. Vergebene Liebesmüh`, also.
Umso mehr freue ich mich über jede „Pipe Lady“, die mir heute begegnet. Werden Männer mit Pfeife inzwischen wie Aliens bestaunt und angestiert, ist es für Frauen noch einmal ungleich heftiger. Jede Frau, die das Standing hat, damit klarzukommen, hat meinen tiefen Respekt.
Einen Respekt, den wir bis heute ALLEN Frauen schuldig geblieben sind, die die Welt der Pfeife tatkräftig mit voran gebracht haben.

