DIE „KLASSISCHE“ PFEIFE

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Teil 1: Wer hat`s erfunden ?

Klassisch- was soll das eigentlich erklären, erfassen ? Was macht denn die klassische Pfeife aus?

Gehen wir einmal sehr weit zurück, bis ins alte Rom. Dort gab es die, wirklich wohlhabenden, Bürger der ersten Kategorie. Da sie mit ihrem Reichtum dazu verdonnert waren, die römische Flotte zu finanzieren, die auf lateinisch „Classis“ hieß, hatten sie ihre Bezeichnung rasch weg. Man nannten sie Classici.

Diesen Begriff verwendete man später in abgewandelter Form, wenn man etwas von Bedeutung, etwas dauerhaft Wertvolles, etwas, das blieb, bezeichnen wollte. So wurde, durch die Jahrhunderte, der Begriff „Klassik“ geboren, den man später noch zusätzlich veredelte, weil er zunehmend Verwendung fand, wenn man etwas von Ausgewogenheit und Harmonie begrifflich veredeln wollte. So geschieht es bis heute. Kein Wunder also, dass man Pfeifentypen mit reduzierten Linien und zeitloser Eleganz als „klassisch“ bezeichnet.

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Wer allerdings gern von „klassisch englisch“ spricht, schießt über das Ziel hinaus. Die Wiege der klassischen Pfeifenformen steht nämlich keinesfalls auf den Inseln. Sie steht in St.Claude, im französischen Jura und das hat eher profane Gründe. Als man dort begann, Bruyerepfeifen im großen Stil zu fertigen, kam die Handarbeit schnell an ihre, quantitativen Grenzen. Die Automation der meisten Herstellungsschritte musste her und es war der Maschinenbauer PIGNON & SÖHNE , der drei Geräte zur Produktionsvereinfachung schuf. Die erste Maschine drehte die äußere Kopfform passend und fräste den Brennraum. Nummer zwei bereitete den Holm und seine Bohrung vor und die dritte Apparatur formte den Pfeifenboden aus. Dem Vorteil der schnelleren Produktion stand allerdings der Nachteil entgegen, dass nur eine begrenzte Vielfalt an Shapes gefertigt werden konnte.

Das waren Billard, Dublin, Apple und Co. DIE Formen, die wir deswegen heute als klassische Shapes ansehen. Junge englische Unternehmer, namens Loewe oder Charatan, schauten sich um 1860 in St. Claude um und lernten die maschinelle Bearbeitung bei den Franzosen kennen. Sie importierten nicht nur französische Maschinen nach England, sondern brachten gleich auch die dort gefertigten Formen mit auf die Insel. Dort mussten die Shapes dann mit der Zeit noch die englische Schule durchlaufen, in dem man ihnen strengere Retuschen verpasste, um die angestrebten, glasklaren und absolut sachlichen Linien zu erreichen, die man im Königreich als Schönheitsideal für die Pfeife ansah und immer noch ansieht. So kam die klassische Pfeife nach England, von dort startete sie ihren, weltweiten Siegeszug und sorgte unter den Liebhabern des eher sachlichen Stils für eine Begeisterung, die bis heute anhält. Echte Klassiker, eben !

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Teil 2: Ja, wie heißen sie denn ?

Die klassischen Pfeifenformen exakt benennen und eingrenzen zu wollen, ist ein unmögliches Unterfangen. Einmal weist jede seriöse Quelle eine andere Anzahl an Shapes aus, zudem werden sie teilweise unterschiedlich benannt und dazu kommt noch, dass sich die Ansicht, was klassisch ist, mit den Jahrzehnten verändert. Aus diesem Grund gibt es immer wieder Ergänzungen oder sagen wir Ergänzungsversuche, die hart und zäh diskutiert werden.

 

Entwickelt haben sich die ursprünglichen Pfeifenformen einerseits aus den Vorgaben, die man von der Tonpfeifen-Produktion kannte, andererseits aus produktionstechnischen Notwendigkeiten, wie im ersten Teil erläutert.

Wo startet nun die Suche nach vermeintlich sicheren Informationen? Beim großen Meister selbst ? Ein genauer Blick in Alfred Dunhills Standardwerk zur Pfeife von 1924 offenbart die verblüffende Erkenntnis, dass der große Alfred sich weise heraus hält. Zu Pfeifenformen findet sich dort keinerlei Bezug – sehr clever !

Das ändert sich erst im Buch seines Sohnes, Alfred H., der in seinem Werk „The Gentle Art of Smoking“ (1954) zehn Pfeifenformen benennt, ohne sie freilich „klassisch“ zu nennen. Billiard, Dublin, Apple, Pot, Poker, Lovat, Prince und Bulldog finden dort Erwähnung. Dazu bekommt die Churchwarden als Lesepfeife Zugang zur Auflistung. Ist das nun die Liste, mit der man arbeiten kann ? Was ist mit Liverpool, Canadian, Cad, Army, die in deutschen Publikationen angeführt werden ? So nennt unser aller Helmut Hochrain eine Klassikerliste mit 16 Shapes, in die er (richtigerweise) auch die Panel integriert.

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Diese Design-Variante mit sechs-oder achteckigen Außenwänden wird aber auf verschiedenen Grundshapes angewandt, was schon einmal zu Übersichtsverlust führen könnte. Wie umfangreich würde diese Liste erst, wenn man, wie Pellisone / Emanuel in „Die Pfeife“ (1984), noch Quarter-und Halfbents ( leichte und stärkere Biegung des Holms) hinzu rechnet ? So kommt dieses Autoren-Paar auf 42 Shapes, während sich Richard Carlton Hacker in „Die Kunst, Pfeife zu rauchen“ (1991) auf 16 beschränkt. Abschließend noch ein Blick in Otto Pollners „Pfeife rauchen leicht gemacht“ (1989), wo der große Otto auf 20 Shapes kommt. Sie sehen also, nichts genaues weiß man nicht und vieles ist Ansichtssache und interpretationsfähig.

Versuchen wir doch einfach mal unser Glück. Nehmen wir ein paar der, allgemein als klassisch anerkannten Fassons und schauen uns ein wenig die Details an. Nein, diese Übersicht erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Das möchte ich meinerseits und zur Sicherheit betonen !

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BILLIARD

Wohl die archetypischste Pfeifenform. Woher der Name kommt, ist nicht wirklich zu klären. Man geht durch ihren absolut geraden Holm aber davon aus, dass die Bezeichnung vom Spielstock beim Billard, dem Queue, stammt. Da diese Sportart sich ohne zweites „i“ schreibt, ist es auch kein Faux Pas, wenn Sie bei der Schreibweise der Pfeife darauf verzichten. Diese Form wurde Ende des 19.Jahrhunderts erstmalig in Frankreich hergestellt, da aber noch unter der Bezeichnung „Neogene“, was so viel bedeutet, wie „neue Art“.

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Um das Jahr 1912 finden sich in Frankreich aber auch noch die Namen „Marsellaise“ und „Cologne“. Zu diesem Zeitpunkt weist das Billiard-Shape dort aber noch einen stärker nach hinten geneigten Kopf, als heute üblich, auf. Letztlich setzte sich aber auch hier die englische Bezeichnung durch, schließlich war England bis 1945 in der Pfeifenwelt klar tonangebend. Spannend ist, dass sich aus der Billiard einige Varianten entwickelten, die allesamt auch den Eingang in die meisten Klassik-Listen fanden und finden.

 

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LIVERPOOL

Es kann als beinahe sicher angenommen werden, dass der Name mit der Firma „Ogden of Liverpool“ zu tun hat. Die spätere „Imperial Tobacco“ hatte um die Wende zum zwanzigsten Jahrhundert eine Geschenkartikel-Seite im Katalog des seinerzeit größten Tabakhändlers „Salmon & Gluckstein“. Aus der, diese Seite betreuenden Gruppe wurde später die „Civic Pipe Co.“ Die Liverpool trägt einen Kopf im Billiard-Shape ( mit variierender, sehr leichter Neigung), einen, deutlich längeren Holm als diese und ein Verlaufmundstück, dessen Länge in etwa der Länge des Holms entspricht. Soweit die Theorie. In der Praxis wurde und wird dann doch erheblich mit den Parametern jongliert, bisweilen so sehr, dass Mischformen mit der Lovat oder der Canadian entstehen. Die Liverpool und die Canadian werden gern mal verwechselt , obwohl sich, bei genauerer Betrachtung, deutliche Unterschiede erkennen lassen. Kommen wir also zur Nummer zwei des „langen Trios“, zu dem auch noch die Lovat gehört.

 

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CANADIAN

Bis auf die Form und in etwa die Größe des Kopfes hat die Canadian nichts mit ihrer „Urmutter“ Billiard gemein. Für Otto Pollner war die Canadian der Inbegriff der Pfeifeneleganz. Außerdem ist sie recht selten, da die großen Kanteln erst einmal gefunden werden wollen, aus denen man solch`edles Stück bauen kann. Um 1900 herum wurden sowohl die Liverpool ,als auch die Canadian gemeinsam unter dem Namen der englischen Hafenstadt angeboten. Eine Version mit rundem, die andere mit ovalem Holm. Nach und nach entwickelte die Ovalholm-Liverpool aber stilistische Eigenheiten.

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Ihre Mundstücke waren zumeist kürzer, als bei der runden Schwester, oft auch mit einem Sattel versehen und ihr Holm wurde zunehmend länger. Als in den Jahren 1920-1930 die ovale Version in Kanada sehr beliebt wurde, bekam sie ihre, bis heutige gültige Bezeichnung „Canadian“ verpasst. Um es nicht zu einfach werden zu lassen, findet man aber gerade in Canada und auch in den USA für diese Form auch häufig die Bezeichnung „Lumberman“ vor.

 

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LOVAT

Sehr lange Lovats sehen ihren canadischen Verwandten zumindest so lange oft sehr ähnlich, bis man den runden Holm entdeckt. Bei der Lovat ist das kurze, mit Sattel versehene Mundstück stilistische Pflicht, ihre Holmlänge kann aber sehr stark variieren. Trägt sie traditionell eher einen, der Billiard ähnlichen Kopf, sind oft auch Varianten mit Apple-oder Dublin-Form zu sehen.

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Simon Henry Fraser, 14th Lord Lovat

Ihren Namen verdankt sie Simon Henry Fraser, dem Lord Lovat ( Adelstitel aus Schottland) während des ersten Weltkrieges. Er und seine Männer waren die Truppe der von ihm gegründeten „Lovat Scouts“. Da diese Pfeifenform der Liebling des Lords war, fand sie auch in der Truppe häufige Verwendung und bekam daher zeitweise die Bezeichnung „Military“ verpasst.

 

DUBLIN

Der Name des Shapes stammt, unschwer zu erraten, aus Irland. Wenn sich jetzt allerdings Peterson-Fans an die Brust klopfen, muss die Vermutung, das Shape sei dort erfunden worden, enttäuscht werden. In der Zeit der Tonpfeifen-Fertigung war Irland eine feste Größe, die „Irish Clay Pipes“ weltbekannt und eine der häufigsten Formen, die dort Verwendung fanden, war eben diese.

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Im Prinzip eine Billiard mit außen konisch zulaufendem Kopf. Die Wände der Tabakkammer sind aber zylindrisch. War die konische Form bei den Ur-Dublins nur angedeutet, wurden in den letzten Jahrzehnten oft modisch überspitzte,konische Formen gefertigt. Das trug der Dublin den Ruf der schweren Rauchbarkeit und Überhitzung ein. Einleuchtend, wenn man bedenkt, dass der Tabakraum im identische Maß bis zum Boden reicht. Nehme ich nun an den Seiten massiv Holz ab, um zu stark konischer Form zu finden, werden die Wände der Pfeife nach unten immer dünner.

 

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APPLE

Woher die Apple ihren Namen hat, ist nicht schwer zu erraten. Tatsächlich erinnert ihr, oft gänzlich runder Kopf an das entsprechende Obst. Wann die Form erstmalig gebaut wurde, ist nicht zu klären, doch bereits seit 1880 findet der Name Verwendung.

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Sowohl für gerade, als auch für gebogene Exemplare. Im französischen Sprachgebrauch hat sich für dieses Shape die Bezeichnung „Boule“ ( Kugel) durchgesetzt, vereinzelt wurde sie auch als „Globe“ angeboten.

 

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BULLDOG

Gedrungen, kräftig, stark- der Name erklärt sich quasi von selbst. Schon in den 60er Jahren des 19.Jahrhundert wurde dieses Shape gefertigt, es ist also zu den ältesten Klassikern zu rechnen. Mit Beginn des 20.Jahrhunderts setzte es sich als eine, der beliebtesten Pfeifenformen bei den verschiedensten Produzenten auf der ganzen Welt durch. Diese extreme Verbreitung hat sicher zu den unzähligen Varianten geführt, die man heute zur Familie der Bulldoggen zählt.

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Ob nun eine Sicke um den Kopf laufen muss oder gar zwei, ob die Kappe oberhalb der Sicke immer eine Höhe haben muss oder variieren darf, all`diese Details überlassen wir mal den jeweiligen Pfeifenbauern. Sonst würde die Diskussion um die Bulldog leicht ein Buch füllen. Bemerkenswert ist, dass die früheren Varianten mit rundem Holm kaum noch zu finden sind, der Zeitgeschmack bevorzugt ganz klar den facettierten Holm, auch Spießholm genannt. Eine weitere Variante ist die BULLCAP, gern auch mal als FLAT BULLDOG (flache Bulldogge) bezeichnet, bei der der Kopf extrem flach und zumeist recht groß ausfällt. Ihre Form erinnert an eine, früher recht populäre Mütze, daher der Name. Ebenfalls selten geworden ist die Bulldogge in quasi hockender Stellung, die dann als CAD oder SQUAT bezeichnet wird. Um die Verwirrung komplett zu machen, nutzen die Franzosen für die ganze Familie auch gern den Namen HAITI. Woher diese Bezeichnung stammt, ist allerdings unklar.

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Das reicht Ihnen immer noch nicht ? Gut, sollten Sie von einer „Irish Bulldog“ hören, so hat diese mit der üblichen Bulldog nichts zu tun. Die Irish Bulldog ist eine, sehr große Billiard, die in Irland sehr beliebt war. Sie musste ein bestimmtes Maß einhalten: ein irischer Daumen sollte komplett in der Tabakkammer verschwinden können !

Soviel zum zweiten Teil, an dessen Ende sicher nicht nur mir der Kopf raucht. Im folgenden, dritten Teil der Geschichte über klassische Pfeifenformen wird noch über die drei großen P zu reden sein, die Bents wollen begutachtet werden und ein Blick gilt natürlich auch den Sonderformen. Ich hoffe, Sie sind dann wieder dabei !

 

 

 

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