Englische Mischungen- ein Begriff, der sehr konträre Reaktionen auslöst. Wissendes Lächeln beim Kenner, erschrockenes Nase rümpfen beim Nichtraucher. Legendäre Namen machen die Runde, zentnerschwere Geschichtsträchtigkeit liegt in der Luft. Nun, aber was ist das denn nun, eine englische Mischung? Was macht sie aus? Wie kam es dazu und wieso heißt sie so? Versuchen wir, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen.
Oftmals hat die Kolonialgeschichte mit der Namensfindung der verschiedenen Tabak-Richtungen zu tun und im Falle Englands auch die damaligen Steuergesetze. Diese sogar in dreierlei Hinsicht.
Um dem englischen Raucher zu Pfeifenfutter zu verhelfen, kauften die Händler ihre Rohtabake in Übersee direkt ein. Nun wollte der englische Staat im neunzehnten Jahrhundert gern die Kolonien in den USA, in Afrika und Asien wirtschaftlich unterstützen und lockte mit sehr günstigen Zöllen, wenn man dort kaufte. Das Problem: in all`diesen Herkunftsländern wurde nahezu ausschließlich Virginia angebaut. Doch, die Importeure verstanden es, sich dieses Problem etwas zu versüßen. Bis in die 70er Jahre des neunzehnten Jahrhunderts war es auf der Insel völlig gleichgültig, wie Tabak weiterverarbeitet wurde. Es gab nur einen Steuersatz in England, nämlich per Kilo. Das brachte die findigen Kaufleute auf die Idee, den Tabak so trocken, wie eben möglich einzuführen und ihn verarbeitet, also beim Verkauf, so nass wie möglich an den Endverbraucher abzugeben. Dieser alte Trick wird heute noch exerziert, aus England stammende Tabake haben auch im Jahr 2018 noch bis zu 25% Feuchtigkeitsgehalt, während sonst Werte bis max. 20% üblich sind.
Die hohen Gewinne, die so seinerzeit möglich waren, machten die Engländer zu gefürchteten, da vermögenden Einkäufern. Nur die besten Provenienzen waren den englischen Käufern gut genug, der Rest der Welt musste sich mit der zweiten Wahl bescheiden oder schaute gänzlich in die Röhre.
So hatten also die englischen Hersteller die Läger voll mit besten Virginias. Um nun aber dem anspruchsvollen Raucher auch Abwechslung bieten zu können, stand man vor zwei neuen Herausforderungen. Einmal lassen sich die besonders zuckerreichen Virginias schwer aromatisieren, da der Zucker eine Aufnahme anderer Aromastoffe sehr schwierig macht und zum Zweiten war die Verwendung bestimmter Aromen in England bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts schlicht verboten. Findige Köpfe begannen daher, durch verschiedene Press- und Fermentationsverfahren, dem Virginia noch mehr, geschmacklich spannende Seiten abzugewinnen. Das erklärt, warum England das Mutterland der Plugs, Flakes und Ropes ist. Zusätzlich wurde man auf zwei Tabakarten aufmerksam, die auf den üblichen Handelswegen zu erhalten waren. Perique aus dem St.James Parish (Louisiana) und Latakia aus dem gleichnamigen Gebiet in Syrien!
Diese fanden Einzug bei den englischen Tabakhändlern und konnten vom Pfeifenfreund, quasi als „Pfeffer und Salz“ ,zum Virginia hinzu erworben werden, der in Rollen oder Platten angeboten wurde. Mixtures, wie sie heute üblich sind, waren seinerzeit noch unbekannt. Das änderte sich aber rasch, als die Pfeifenraucher begannen, das Aufreiben des Tabaks vor dem Genuss als „unfein“ zu empfinden. Zudem wollten sie nicht ständig den Latakia-Geruch an den Händen haben und man sah es als lästig an, ständig ein Messer mit sich zu führen und nach passenden Schneidunterlagen zu suchen. Die Hersteller schnitten also die Tabake ab Werk und trennten von den Rollen ganz feine Scheiben. Wer das daheim schon einmal selbst gemacht hat, weiß, dass sich dabei feine, gerollte Tabakfäden ergeben. Um die Würztabake im Mischungsbild anzugleichen, schnitt man sie ebenso…und daraus entstand der heute bei englischen Tabaken immer noch übliche „Bändchen-Schnitt“, der Ribbon Cut.
Plugs, also ganze Tabakwürfel, kamen auch etwas aus der Mode, so schnitt man sie in Scheiben zum Flake oder rieb diese Flakescheiben noch weiter auf zum Ready Rubbed. Bei diesen Darreichungsformen ist es bei englischen Tabaken bis heute geblieben. An Tabaken kamen später noch der Orient und der Red Kentucky hinzu. Auf der Basis dieser, letztlich doch beachtlichen Vielfalt entwickelte sich das, was wir heute als Tabake englischer Richtung bezeichnen. Für viele Menschen ist aber der Latakia prägend und entscheidend, wenn es um diese Bezeichnung geht. Das ist so allerdings nicht richtig. Wie obige Ausführungen darlegen, sind eigentlich alle Mischungen, Flakes, Twists, Plugs und Co. dazu zu zählen, die auf diesen Rohtabaken basieren und ohne in größerem Rahmen zugefügte Aromatisierung auskommen. Wohlgemerkt sprechen wir hier von englischen, nicht von britischen Tabaken. Die Iren kochten da noch einmal ein ganz anderes Süppchen und haben mit ihrem Einfluss auch die englischen Lakelands erreicht- doch dazu später einmal mehr. Latakia kann in einer klassischen, englischen Mischung enthalten sein, muss aber keinesfalls, wie sich unschwer an z.B. ROYAL YACHT, GOLD BLOCK und ESCUDO ablesen lässt.
Kommt der Latakia dazu, tritt die Fraktion der Naserümpfer wieder nach vorn und man hört Bemerkungen, wie „brennender Pferdestall“ oder ähnliche Bösartigkeiten. Dabei tut man dem Latakia Unrecht. Wer zugegen ist, wenn purer Latakia geraucht wird ( ja, das gibt es!) stellt fest, dass diese, oft als unangenehm empfundene, Geruchsentwicklung gar nicht so stark ist, als wenn der Latakia in einer Mischung verwendet wurde. In den Mixtures ist es nämlich zumeist der gleichzeitig und großzügig verwendete Orient, der den rustikalen Duft verstärkt und sein eigenes, nicht gerade kleines Teil dazu beiträgt. Ähnlich entstand die Legende vom starken Latakia. Den Ruf prägten Mischungen, die früher hierzulande populär waren, wie z.B. der „Night Cap“ von Dunhill. Stark ist in solchen Kompositionen aber keinesfalls der Latakia. Viel eher sind es gehaltvolle Virginias und Kentuckys, die mit ordentlicher Kraft zu „Dampf“ verhelfen. Der Latakia selbst ist ein äußerst milder, bekömmlicher und nikotinarmer Tabak. Pur oder in sanften Mischungen geraucht auch Beginnern bedenkenlos zu empfehlen.
Ob nun aber mit Latakia oder ohne, eigentlich müsste man sich die Bezeichnung „englische Tabake“ abgewöhnen, sie zumindest in „Tabake englischen Typs“ abändern. Denn, die herrlichen Zeiten, wo die Tabake noch auf der Insel gemischt wurden, sind leider lange vorbei. Viele klangvolle Namen, wie Ogdens of Liverpool oder Robert Mc Connell London sind lange Geschichte, verschwunden oder aufgekauft. London, das muss man sich einmal vorstellen, war einstmals die Welthauptstadt des Tabaks. Historische Zahlen belegen, dass es in der Spitze einmal über 7000 Verkaufsstellen für Tabak in der Stadt gab. Zur Hochzeit der Tabakproduktion beherbergte London 108 kleine und kleinste Tabakmanufakturen. Kaum vorstellbar für jemanden, der heute auf der Suche nach Pfeifentabak verloren durch diese Metropole irrt.
Die Tabakrichtung aber lebt fort. Ob nun große Firmen in Dänemark oder kleine Handmisch-Manufakturen in Deutschland…ohne die Tabake englischen Stils ist die Geschichte der Pfeife undenkbar. Nicht in der Vergangenheit, aber auch nicht in der Zukunft.
…und bevor jetzt die Freunde der milden, aromatisierten dänischen Tabake verärgert die Seite schließen: keine Sorge, die bekommen natürlich ihre eigene Geschichte !