Wer nach Informationen zu Cavendish sucht, trifft auf eine Mischung aus Folklore, Geschichten, Vermutungen, Interpretationen und Fakten. Versuchen wir doch mal, der Sache auf den Grund zu gehen und zumindest so gut wie möglich zu klären, wovon eigentlich die Rede ist. Schließlich findet der Begriff bei heutigen Tabaken (oft mit dem Vorsatz Black) häufige Verwendung.
Seinen Namen hat er von Captain Sir Thomas Cavendish, der 1585, bei einem Besuch der Kronkolonie Virginia, den er im Auftrag der Königin unternahm, Tabak als Geschenk erhielt. Cavendish wollte den Tabak für die lange Seereise nach England haltbar machen und bearbeitete ihn. Wie, dazu gibt es zwei Geschichten. Einmal soll er den Tabak mit einer Mischung aus Rum und Zucker beträufelt haben, um ihn dann fest in Leinwand einzuschnüren. Die andere Version berichtet, er habe den Tabak unter festem Druck in Rumfässer gefüllt.

Fest steht jedenfalls, dass der Geschmack dieser, so behandelten Tabakblätter die Raucher im heimischen England in Verzückung brachte. Nach der Lagerung war er weicher, süßer, milder und duftiger. So war eine Variante der Tabakbearbeitung geboren, die sich im Laufe der Jahrhunderte und geographisch unterschiedlich entwickelte und zu viele Variationen führte…aber, der Reihe nach.
Kommen wir zunächst zum Grundverfahren, mit dem auch heute noch Cavendish hergestellt wird. Zunächst werden Tabakblätter geschichtet und zu etwa 2,5 cm dicken Kuchen gepresst. Durch Zusatz von Feuer oder (in heutigen Zeiten deutlich üblicher) heißem Dampf fermentieren diese Tabakkuchen dann eine bestimmte Zeit. Danach werden die Kuchen in Scheiben geschnitten und für den nächsten Arbeitsgang vorbereitet. Je nachdem, wie der ausfällt, kann man die Cavendish-Sorten grob voneinander unterscheiden.
Die Engländer nutz(t)en in ihren Tabaksorten zumeist ungesüßten Cavendish. Sie verwenden von vorne herein dunkle, geräucherte oder feuergetrocknete Virginias, die mit Dampf beaufschlagt und über viele Tage, manchmal Wochen, gepresst werden. Dadurch löst sich der natürliche Zucker aus den Blättern. Es entsteht ein duftiger, recht kräftiger und natursüßer Cavendish.

Was ist nun seine Aufgabe, wenn er Mischungen zugefügt wird? Der Cavendish ist sehr gut in der Lage, sich anderen Aromen anzupassen, sie anzunehmen. Wenn ich nun also eine kräftig-delikate Mischung aus würzigen Virginias, kräftigen Kentuckys, ätherischen Orients und harzig-kräuterigen Latakias ansetze, habe ich zwar die feinsten Grundtabake gewählt, die Mischung ist aber oft zu überbordend, intensiv und penetrant. Also ergänze ich sie durch den ungesüßten Cavendish. Wäre es ein Whisky, könnte man sagen, dass ich die Mischung auf genießbare Trinkbarkeit herab setze. Es geht nichts von den schillernden Aromen verloren, die schmeicheln dem Gaumen aber nun sanfter, ohne ihn zu überanspruchen. Zusätzlich besitzt der ungesüßte Cavendish die Eigenschaft, die Glimmfähigkeit einer Mischung zu verbessern, sie beim Abbrand zu beruhigen. Das setzt dann die Aromen noch einmal besser frei und führt zu der, in Reviews oft erwähnten „Cremigkeit“ des Rauches. Das ist die Aufgabe des englischen Cavendish.

Beim US-Cavendish ist nicht nur das Verfahren anders, sondern auch die verwendeten Grundtabake. In den USA wird Cavendish vornehmlich aus Burley, manchmal unter Beimischung von etwas Maryland, gemacht. Hier wird auch zunächst unter Druck und mit Dampf fermentiert. Nach dem ersten Durchgang werden dem Tabak dann Aromen zugesetzt. Hier finden z.B. Rum, Vanille, Süßholz, Honig und Ahorn Verwendung. Nach längerer Ruhezeit, in der die Aromen einziehen können, wird die Mischung dann erneut gepresst und bedampft, bevor sie geschnitten und weiter verarbeitet wird. Je länger dieser Prozess dauert, desto dunkler werden die Tabake. Black Cavendish ? Nein, noch nicht. Zu dem kommen wir später.

In Dänemark und seinerzeit auch in den Niederlanden gab (und gibt?) es eine andere Vorgehensweise. Zunächst werden die Tabakblätter heiß bedampft, damit sich die Poren öffnen und den Tabak aufnahmefähig machen. Der besteht übrigens oft aus reinen Virginias, es gibt aber auch Mischungen mit Burley und sogar mit Burley und Maryland. Danach werden die Aromen zugegeben ( oft Obstaromen, Kokos, Honig, Rum, Vanille, Walnuss und Schokolade) und dann werden die Tabake über längere Zeit gepresst, bevor sie geschnitten und weiter verarbeitet werden.
Hitze (Dampf oder Feuer), Druck und gegebenenfalls Aromen sind also die Grundbausteine für einen Cavendish. Es gibt unzählige Variationen der Reihenfolge und der Anwendung. Sie werden mir verzeihen, wenn ich nicht bis ins Detail jede Variante schildere. Das könnte für Sie und mich ein wenig zu viel des Guten sein. Das Wesentliche dürfte mit o.g. Verfahren aber geschildert sein.

Kommen wir nun zum Black Cavendish. Was wie eine besondere Tabaksorte oder ein hochkompliziertes, eigenes Verfahren anmutet, ist, will man bösartig sein, vornehmlich Tabak-Kosmetik. Wie beim dänischen Verfahren bereits üblich, werden die Tabake mit heißem Dampf behandelt, der ihre Poren öffnet. Dann erfolgt eine, zumeist recht großzügige Anreicherung mit Aromen, bevor der Tabak dann gepresst wird. Das macht man überdurchschnittlich lange, was den Tabak schwarz werden lässt. Nun kann man die Blöcke in Fasern schneiden oder granulieren- ganz nach Wunsch.
Durch das, vorher „geöffnete“ Blattgut und die kräftige Aromatisierung und Pressung kann man Mischungen deutlich aromenintensiver gestalten, als das nach früheren Verfahren möglich war. Vor allem bei der Einführung der deutschen Aromaten ( siehe in diesem Blog: „Der deutsche Aromat-Wie eine neue Spezies entstand“) war er von Beginn an das wesentliche Bauteil. Kaum eine Tabakzubereitung hat die Raucherwelt derart gespalten. Während die Fans des reinen Tabakgeschmacks despektierlich von „Rauchpappe“ sprechen, sind die Freunde der intensiven Zusatzaromen immer wieder schier verzückt, welch` intensive Geschmacks-Kompositionen mit dem Black Cavendish möglich sind.

Dabei wird meistens aber komplett vergessen, dass es eben diesen Black Cavendish auch ohne zusätzliche Aromen gibt. Er wird ähnlich verwendet, wie sein englischer Bruder, aber, aus milderen Grundsorten erstellt. So kann er dessen gute Eigenschaften auch in feine Mischungen mit zarteren Aromen tragen, ohne diese Mischungen zu dominieren.
Eine weit verbreitete Einschätzung ist übrigens, dass Black Cavendish nicht nur sehr mild, sondern auch besonders leicht sei. Wer das überprüfen möchte, folge dem Rat des deutschen „Mr. Black Cavendish“, Michael Apitz von Danpipe und fülle sich ein kleines Pfeifchen mit Grus (das sind die feinen Krümel, die unten in Tabakdose oder –päckchen übrig bleiben) und halte sich gut fest.
Es ist ein besonderer Genuss…aber kein leichter.
Cavendish- Ein Name, aber unzählige Ausführungen und Verwendungszwecke. Gerade für den Beginner oder nicht so erfahrenen Pfeifenraucher ist es da schwierig, aus der Bezeichnung Cavendish im Text oder auf dem Etikett etwas abzuleiten oder Rückschlüsse zu ziehen. Im Zweifelsfall hilft da der Fachhändler, so er einer ist…oder vielleicht dieser Artikel.
Schon nicht so ganz einfach, dieser Cavendish…aber wert, dass man sich mit ihm auseinander setzt.
