JEAN MARIE ALBERTO PARONELLI-Genie und Legende

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Der „Don“, an seinem Schreibtisch im Museum von Gavirate

Am 21.Dezember des Jahres 1914 wurde im norditalienischen Gavirate ein Mann geboren, den man ohne Übertreibung als eine der Lichtgestalten in der Geschichte der Pfeife bezeichnen kann: Jean Marie Alberto Paronelli.

Schon im Kindesalter sehr aufgeweckt, klug und an vielen Dingen interessiert, war klar, dass es ihn nicht lange in seiner Heimatstadt halten würde. Er wollte in die Welt und so kam es, dass er schon im Alter von 16 Jahren Studien in Italien und der Schweiz aufnahm und als 18-jähriger bereits allein in London lebte. Paronelli sog Wissen förmlich auf. Sprachbegabt lernte er Englisch, Französisch, Deutsch und Spanisch, studierte die Geschichte der Menschen und alte Literatur. Mehr und mehr rückte auch die Pfeife in seinen Fokus. Wo sonst, wenn nicht in ihrem damaligen Mekka London, konnte er so viele, erstklassige Hersteller besuchen und sich mit ihnen austauschen. Er war häufiger zu Gast im Savoy, wo sich der erlesene Pfeifenzirkel Londons traf, wurde bald als Berater in Pfeifendingen geschätzt und entwickelte sich selbst zum Pfeifensammler.

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Gemeinsam, mit Jean Berrod von Butz-Choquin bei einem Empfang, 1972

Zurück in Italien begann er, für Leonida Rossi zu arbeiten und eröffnete in Mailand ein höchst erfolgreiches Handelsbüro für Rossi-Pfeifen. Doch nicht nur das. Seine Vielsprachigkeit, seine Eloquenz und sein kluges Handeln, sowie das Wissen um die Wichtigkeit eines guten Netzwerkes ließen ihn bald zu einer, international gefragten Größe in der gesamten Pfeifenbranche werden.

Als Rossi in den 60er Jahren die Produktion einstellte, erwarb Jean Marie Alberto Paronelli den kompletten Musterraum, schon wissend, dass er dieses Prachtstück in sein geplantes Museum integrieren wollte.

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Das kreative Multitalent bei der Arbeit

In der Folgezeit begann er, seine eigenen Pfeifenentwürfe, an denen er schon seit den 40er Jahren arbeitete, fertigen zu lassen. Seine Entwürfe hatten aber nicht mehr viel mit den klassischen Standardformen gemeinsam. Durch seine Liebe zur Kunst, zu besonderen Formen und Ausführungen entstanden Modelle, die sehr unkonventionell waren, sich aber schnell großer Beliebtheit auch in Übersee erfreuten. Um die hohe Nachfrage auch organisatorisch bewältigen zu können, trat sein Sohn Antonio Paolo mit ins Geschäft ein.

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Antonio Paolo (l.) gemeinsam mit Roman Peter, bei unserem Besuch in Gavirate, im letzten Jahr.

Jean Marie Alberto gründete außerdem das Pfeifenmagazin „La Pipa“, entwarf Pfeifen für andere Unternehmen, wie z.B. Brebbia und arbeitete intensiv an internationalen Kontakten. 1968 wurde er als erster Italiener Mitglied der „Confrérie de Maitres Pipiers“ von St.Claude, er gründete die italienische Pfeifenakademie, stand ihr drei Jahre vor und bestimmte lange Jahre ihre Geschicke.

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Der Sitzungsraum der Pfeifenakademie im Museum

Bei der „Society of Pipe Smokers USA“ war er ebenso Mitglied, wie bei der altehrwürdigen „Confrérie de Jean Nicot“ in Bergerac. Man kann sagen, dass Jean Marie Alberto Paronelli weltweit in die Geschicke der Pfeife eingebunden war und sie mit großem Engagement mit lenkte.

Doch damit nicht genug. Er schrieb Bücher, beriet Firmen, entwarf Pfeifenkollektionen und widmete sich seiner zweiten, großen Liebe, der Kunst.

Er malte, schuf Skulpturen und studierte die Terrakotta-Kunstformen der Maya. Nach diesem Studium fertige er eine ganze Reihe wunderschöner und vielbeachteter Statuetten an, die noch heute im Paronelli-Museum in Gavirate bewundert werden können.

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Ein Teil der Maja-Statuetten, die Jean Marie Alberto nach seinem Studium dieser Kunstform schuf.

Zusätzlich gab er Zeitschriften zu verschiedenen Kunstthemen und geschichtshistorische Bände heraus, arbeitete mit Verlagen, Galerien und Kunsthäusern zusammen, hielt Vorträge und gab sein pfeifentechnisches Wissen an Interessierte weiter. 1984 gründete er zusätzlich die „Accademie Internationale de la Pipe“. Dieser gemeinnützige Verein beschäftigte sich mit Beratung und Werbestrategien für Pfeifenschaffende.

Wer die Aktivitäten von Jean Marie Alberto Paronelli zusammen rechnet, fragt sich ernsthaft, wie dieser Mann mit 24 Stunden pro Tag auskommen konnte.

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Porzellan-Malerei (nicht nur) mit Pfeifenmotiven…auch das war eine Leidenschaft von Paronelli.

Berühmt war er auch für eine Unmenge Anekdoten und Geschichten zum Thema Pfeife, die er stundenlang und unnachahmlich zu erzählen wusste. Die Geschichten wurden auch nie langweilig, da sie immer etwas anders erzählt wurden. Wer ihn dann fragte, ob das alles wahr sei, erhielt zur Antwort ein Lächeln und die Feststellung :“Nun?…ist aber eine gute Geschichte !“

Diese Geschichten erzählte er auch gern mal im Paronelli Pfeifenmuseum, deren Exponate er eigenhändig schuf oder zusammen trug und das seine Geschichte und die Geschichte der Pfeife bis heute wohl wie kein anderer Ort auf der Welt erzählt. Das Paronelli-Museum ist einer der Orte, die ein Pfeifenfreund in seinem Leben gesehen haben muss.

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Spannende Geschichten, großartig erzählt. Typisch, für ihn.

Jean Marie Alberto Paronelli starb am 20. November 2004 mit 90 Jahren im Kreise seiner Familie in Gavirate. Seine Spuren jedoch, sein Einfluss auf die Pfeife, weltweit, sind bis heute gut zu erkennen.

Die Familientradition wird von den Enkeln Alberto und Ariberto Paronelli fortgesetzt. Ganz im Sinne des Großvaters entwerfen sie ihre eigenen Pfeifenlinien, kümmern sich liebevoll um das Museum und pflegen die Verbindungen des Hauses Paronelli auf der ganzen Welt. Denn auch in der dritten Generation ist die Pfeife Herzenssache in der Familie.

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Die Enkel, Alberto (l.) und Ariberto Paronelli setzen die Familientradition mit viel Herz und Sachverstand fort.

Es gibt in der Geschichte der Pfeife einige, bedeutende Namen. Wenn es aber um die Menschen geht, die die Pfeife mehr, als alle anderen beeinflusst und gefördert haben, bleiben zwei Namen übrig. Alfred Dunhill und Jean Marie Alberto Paronelli…und man darf sie beide durchaus in einem Atemzug nennen.

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