
Die Geschichte des Tabaks in Indonesien ist schnell umschrieben. Schwierig, verworren und in einigen Punkten immer noch unklar. Das beginnt schon bei der Frage, wann und wie der Tabak zum ersten Mal indonesischen Boden erreichte.
Die warscheinlichste Fassung ist, dass ihn der holländische Kapitän Cornelis de Houtman mitbrachte, als er 1596 erstmalig in Bantam auf Java anlegte. Es tobte ein schwerer Handelskrieg zu dieser Zeit. Die aufstrebende Niederlande versuchte, die Vormachtstellung der Portugiesen und Spanier im Seehandel zu brechen und de Houtman war unterwegs, um Anbaugebiete für Gewürze zu finden.
Ein historisches, javanisches Manuskript, das „Babad Ing Sangkala“, erwähnt allerdings, dass der Tabak um 1602 von den Portugiesen gebracht worden sein soll. Andere Quellen berichten davon, dass die Spanier den Tabak 1575 auf die Philippinen brachten, von wo er auch nach Java gekommen sein soll.

Wie dem auch sei, die Zeiten waren hart, de Houtman fand seine Anbaugebiete für Gewürze und schon ab 1602 war Indonesien durch die Niederländer kolonialisiert und hieß fortan Niederländisch-Indien. Schnell wurde den Kaufleuten der mächtigen niederländischen Ostindien-Kompanie VOC klar, wie ideal die Anbaugebiete der indonesischen Inseln auch für den Anbau des immer gefragteren Tabaks geeignet wären. Schon um 1650 gab es auf Java einige, groß angelegte Tabakplantagen. So in Kedu, Priangang und Malang. Die Erträge wurden von der Kompanie gehandelt, doch Tabak war zu dem Zeitpunkt nur einer, von vielen Handelsartikeln. Das er einmal die Haupteinnahmequelle darstellen sollte, ahnte man da noch nicht.

Es war der niederländische Kaufmann Jacob Nienhuys, der sich 1863, erst 27 Jahre alt, mit seinem Geschäftspartner Wilhelm Peter Jansen im östlichen Sumatra niederließ und die Deli-Kompanie gründete. Nienhuys dachte im großen Stil. Tabak war ein sehr gefragtes Gut und um richtig kraftvoll ins Geschäft einzusteigen und die Inseln mit Plantagen zu überziehen, suchte er sich Aktionäre für sein Unternehmen. In kurzer Zeit entstand ein Tabakimperium, das vielen Niederländern in Indonesien zu enormem Reichtum verhalf. Unter diesen Leuten entwickelte sich ein Lebensstil, der in Prunk und Dekadenz dem der Baumwollbarone in den amerikanischen Südstaaten in nichts nachstand. Das dafür tausende Kulis von Java und aus China bis zum Umfallen und in absoluter Armut schuften mussten, ist die Kehrseite der Medaille.
Zurück zum Tabak. Durch die, für sie günstigen Handelsmöglichkeiten kauften natürlich besonders die niederländischen Hersteller Rohtabake aus Indonesien ein. Sowohl in den Tabakmischungen als auch bei den Zigarren waren Java und Sumatra schnell nicht mehr wegzudenken. Zigaretten hingegen fertigte man in Indonesien selbst, da es auf dem dortigen Binnenmarkt eine starke Nachfrage gab und immer noch gibt- dazu aber später mehr.

Das erklärt, warum sich auch auf dem deutschen Tabakmarkt bis ins ausgehende, letzte Jahrhundert so viele „holländische Mischungen“ fanden, deren vornehmlicher Java-Anteil rasch eine große Fangemeinde fand. Firmen,wie Douwe Egberts und Royal Niemeyer hatten mit ihren Shags für Pfeife und Zigarette und ihren reinen Pfeifenmischungen hierzulande einen großen Erfolg. Ebenso begeistert waren die Zigarrenraucher der damaligen Zeit von den wunderbaren Sumatra-Mischungen, die als Hochgenuss galten. Wer auch immer seinerzeit den Sammelbegriff „Java“ für indonesische Tabake bei uns einführte, er hat es sich wesentlich zu leicht gemacht.

Insgesamt wurde und wird in 15 verschiedenen Provinzen Indonesiens Tabak angebaut. Das es so unterschiedliche Qualitäten gibt, hat mit der sehr differenten Agrarökologie zu tun. Es gibt ebenso sehr wasserreiche, wie sehr trockene Anbaugebiete, sowohl im Tiefland, als auch in Hochlagen. Dazu kommen noch unterschiedliche Pflanz-und Erntezeiten. Generell unterscheidet man hier zwischen Tabaken, die am Ende der Regenzeit angebaut und in der Trockenzeit geerntet werden, der Oberbegriff für diese Tabake ist „Vooroogst“ und den Tabaken, die in der Trockenzeit angebaut und in der Regenzeit geerntet werden. Diese Tabake werden als „Naoogst“ bezeichnet. Jetzt auf alle Anbaugebiete einzugehen, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen und sicher auch den Willen zur Aufmerksamkeit deutlich überlasten. Konzentrieren wir uns auf die für uns wichtige Sorte der Java-Tabake. Sie werden auf den drei großen Inseln Borneo, Sumatra und eben Java angebaut. Aufgrund der oben beschriebenen, stark differierenden Anbaubedingungen fallen Tabakgehalt und Geschmack sehr unterschiedlich aus.

So ist zum Beispiel der Padang, eine Mischsorte, die auf Sumatra angebaut wird, durch seine Würze und Farbigkeit in früherer Zeit zu einem bescheidenen Ruhm gelangt. Auf Java, in der Nähe von Ponorogo, gibt es eine bergige Anbauregion, die den hochwertigen Besuki hervorbringt. Er ist deutlich zarter, zitroniger und milder im Geschmack. Eher erdig und rustikal hingegen ist der Geschmack der Javas von Loemadjang und Madoera. So können also „holländische Mischungen“ gänzlich unterschiedliche Charaktere aufweisen, je nachdem, welche Javas Verwendung finden.
Der Anbau von reinen Pfeifentabaken spielt aber heute in Indonesien praktisch keine Rolle mehr. Zwar wurden im letzten Jahr noch 12o Mio. Kilogramm Tabak geerntet, der Löwenanteil geht aber in die indonesische Zigarettenproduktion. Gerade in Indonesien und auf den Philippinen rauchen mehr, als zwei Drittel der Bevölkerung. Übrigens war den Indonesiern von Anfang an der Geschmack reinen Tabaks in ihren Zigaretten zuwider. Sie empfanden den Rauch als bitter und mischten den Blends daher Nelkenaroma bei. Diese Aromatisierung ist bis heute hochbeliebt und macht den größten Anteil an indonesischen Zigaretten aus. Für mitteleuropäische Geschmacksnerven eine wirkliche Herausforderung, wie ich aus Selbstversuchen zu berichten weiß.

Für die Zigarrenmanufakturen wird es immer schwieriger, hochwertige Tabaklagen zu finden. Einmal wird vermehrt auch Zuckerrohr angebaut, das eine höhere Rendite als Tabak verspricht, dann ist das Wachstum indonesischer Städte enorm, sie „fressen“ das Ackerland geradezu auf und die Indonesier haben die Qualitätserfassung ihrer Tabake derart vereinfacht, dass es nur mit viel Erfahrung noch möglich ist, die passenden Lagen zu finden. Der niederländische Zigarrenhersteller De Olifant hat allein in Indonesien fünf Leute nur damit beschäftigt, die passenden Tabake zu finden und Verbindungen zu halten, bzw. zu knüpfen. Sicher keine leichte Aufgabe. Gibt es denn nun in unseren Breiten noch Tabakmischungen, mit denen man den ehemals großen Zeiten der „holländischen Mischungen“ nachspüren kann? Nun, den bekannten Vooroogst, einen reinen Lumadjang, hat es bereits erwischt. Seine Produktion ist ausgelaufen. Das es trotzdem noch „Holländer“ gibt, ist in Deutschland der Firma Pöschl zu verdanken. Wer es gern sanft aromatisiert mag, sollte zum gelben Brookfield greifen, der neben einem dezenten Vanille-Aroma auch eine ordentliche Portion Java-Tabak enthält und deshalb auf besondere Weise mild, zitronig und blumig daher kommt und ein sehr gutes Glimmverhalten aufweist.

Ein Tabak der auch Beginnern sehr entgegen kommt. Der andere Kandidat aus dem Hause Pöschl ist schon eine Ikone der Pfeifenwelt. Er ist der älteste Tabak Deutschlands, der noch in Produktion ist. Sein Name ist Hansa Krüll und er vermittelt noch sehr naturnah und sanft würzig, was dereinst den Zauber holländischer Mischungen ausgemacht hat.
Sonst ist nichts geblieben, von der einstigen Pracht holländischer Pfeifentabake. Sie hatten ihre Zeit. Das sie wohl bald endgültig vorbei ist, darf man bedauern.