
Als man 1856 in Frankreich das Bruyereholz für die Pfeifenmacherei entdeckt, steigt der kleine Ort St.Claude im Departement Jura sehr rasch zur Wiege des französischen Pfeifenbaus auf.
Zu diesem Zeitpunkt ist der kleine Henri Comoy gerade mal sechs Jahre alt. Seine Familie fertigt bereits seit 1825 Pfeifen an, vornehmlich für die Soldaten der Heere Napoleons. Bisher bestanden die Pfeifen aus Buchsbaum, doch auch die Comoys erkennen schnell, dass das neue Material aus der Knolle der Baumheide bisherigen Hölzern weit überlegen ist. So überlegen, dass weltweit eine enorme Nachfrage entsteht und St.Claude zur Welthauptstadt der Bruyerepfeifenmacherei wird.
Der Wohlstand in der französischen Gemeinde steigt schnell und auch die Comoys produzieren, was das Zeug hält und bringen es rasch zu gewissem Reichtum. Der kleine Henri wächst umsorgt und behütet auf und sein beruflicher Weg als nächste Generation der Pfeifendynastie scheint vorgezeichnet. 1870 kommt es aber zum deutsch-französischen Krieg, in den auch der gerade einmal zwanzig Jahre alte Henri einrücken muss. Leben und Gesundheit bleiben ihm zwar erhalten, er gerät aber in Kriegsgefangenschaft, während der er im selben Jahr in der Schweiz seine Cousins von der Familie Chapuis kennenlernt.

Die jungen Herren begeistern sich für dieselbe Sache und so beschließen sie, sich zusammen zu tun und gemeinsam Pfeifen zu fertigen. Allerdings nicht in St.Claude. Sie wollen sich unabhängig machen, auf eigenen Beinen stehen, was daheim in St. Claude nicht gerade auf die Begeisterung der Familie trifft. Nachdem aber Henri die Vorteile einer möglichen Zusammenarbeit erläutert und man gemeinsam die Möglichkeiten durchdacht hat, gibt es grünes Licht. Henri nimmt einen Teil der Maschinen und einige Techniker mit und 1879 gründet man in London die Firma H.Comoy&Co LTD.
Das Unternehmen sichert sich rasch eine gute Position im Weltmarkt. Das Holz für die produzierten Pfeifen kommt über das Stammwerk aus Frankreich und durch das Prädikat „London made“ erschließen sich noch einmal andere Märkte. Es ist schon erstaunlich, wie relativ einfach der damalige Markt ob der enormen Nachfrage funktioniert. Obwohl Comoy London nicht nur Rohware aus Frankreich bekommt, sondern auch große Mengen vorgedrehte Köpfe, obwohl beide Firmen im Grunde identische Pfeifen produzieren, haben beide gute Absatzchancen am Markt.
So laufen die Geschäfte prächtig, bis der erste Weltkrieg letztlich eine Zwangspause verordnet. Die Wiederaufnahme der Produktionen gelingt nach Kriegsende aber rasch und man ist wieder gut im Geschäft. Eine erste, einschneidende Veränderung erfährt das Unternehmen, als Henri Comoy im Jahr 1924, im Alter von 74 Jahren, verstirbt. Die Verantwortlichkeiten werden neu geordnet und Henris Söhne, Paul und Adrien, werden die neuen Geschäftsführer, unterstützt von der jungen Generation aus dem Hause Chapuis, Emile und Louis.

Der Markt aber beginnt sich zu ändern. Der Kunde wird anspruchsvoller, die verschiedenen Absatzgebiete erwarten mehr Individualität. Das bemerkt man auch im Hause Comoy und Chapuis. Man hat die Londoner Produktion inzwischen gänzlich auf eigene Füße gestellt, eine Unterstützung aus Frankreich ist nicht mehr notwendig. Daraus entwickelt sich die kluge Idee, das Werk in London und die Produktion in St.Claude jeweils als eigenständiges Unternehmen zu betreiben und auch jeweils eigene Stile zu entwickeln. 1928 entsteht so in St.Claude ein „neues“ Unternehmen, dessen Name sich aus den Anfangsbuchstaben der Familien Chapuis und Comoy zusammensetzt. CHACOM wird geboren.
Das die Geburt des neuen Unternehmens unter keinem guten Stern steht, kann man zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen. Kein Jahr später, im Oktober 1929, kommt es an der Wall Street zum schwarzen Freitag. Ein gigantischer Börsencrash, der die gesamte Weltwirtschaft in den folgenden Jahren in den Abgrund zu reißen droht. Unternehmen und Banken kollabieren und verursachen eine, kaum vorstellbare Massenarbeitslosigkeit, die das gesamte Gefüge der bisherigen Systeme aus den Angeln hebt. Davon ist natürlich auch die Sparte der Pfeifenproduktionen weltweit betroffen und in St.Claude weiß man sich keinen anderen Überlebensweg, als mehrere, bislang unabhängige und große Firmen zu einem Verbund zusammenzuschließen. 1932 entsteht der Konzern „La Bruyere“ als Gemeinschaftsunternehmen. Innerhalb dieser Riesenfirma bleibt der Name Chacom aber eigenständig erhalten. Verkauft werden dürfen die Chacoms aber bis 1939 nur in Frankreich, Belgien und der Schweiz. Das geschieht, damit man sich mit der Schwesterfirma in London nicht gegenseitig die Märkte streitig macht.

Obwohl die Jahre schwierig sind, arbeiten zeitweise 450 Menschen für die Pfeifenproduktion. Durch geschickte Taktik und den guten Namen, den man weltweit genießt, gelingt es, die Krise zu meistern. An ihrem Ende steht allerdings der zweite Weltkrieg, der die kommenden Jahre bis 1945 noch schlimmer macht. Doch, wieder steht die französische Pfeifenproduktion nach Kriegsende auf und setzt ihren Erfolgsweg fort. Schon früh in der Nachkriegszeit läuft die Produktion wieder auf vollen Touren und bereits 1948 wird man Marktführer in Frankreich,in Skandinavien, in Deutschland und den USA.
Speziell bei den Geschäften mit den USA stellt man fest, wie hoch der Name Chacom und seine Tradition gehandelt wird und wie wenig man sich dort mit „La Bruyere“ anfreunden kann. 1957 beschließt die Geschäftsleitung, das Unternehmen wieder unter dem alten Namen Chapuis, Comoy & Cie. Zu führen. Früh schon nach dem zweiten Weltkrieg macht Chacom durch neue Shapes, neue Oberflächen und Linien von sich reden. Diesen Stil der Avantgarde wird man beibehalten, er wird so etwas, wie das Aushängeschild von Chacom. Nicht unbedingt nur zum Vorteil.
1964 verstirbt Adrien Comoy und sein Sohn Pierre übernimmt das Amt des Direktors in London. Die extravaganten Shapes der Firma machen auch in Asien Eindruck und so wird Chacom ein Jahr später, 1965, die erste Import-Pfeifenmarke in Japan. 1971 wird Yves Grenard, der zweite Cousin von Pierre Comoy und bisheriger Chef-Designer bei Jeantet der neue Direktor von Chapuis, Comoy und Cie. und übernimmt ebenfalls den kompletten Verkauf der Pfeifen in Frankreich. Mit Grenard zieht jemand in das Amt ein, der Chacoms modernistische Linie noch einmal forciert. 1978 tut Grenard etwas, das so auf dem Pfeifenmarkt bislang völlig unbekannt ist. Er engagiert den bekannten Freehand-Macher Pierre Morel , der in den Folgejahren etliche Modelle für Chacom entwirft und schließlich, 1987, fester Mitarbeiter des Hauses wird.

Morel ist mit seinen Ideen in den, darauf folgenden Jahren maßgeblich für die Handschrift der modernen Linien des Hauses verantwortlich. Der Erfolg gibt ihm Recht, das Unternehmen floriert immer noch und nachdem man schon 1987 Jeantet, Lacroix und Vuillard in einer eigenen Holding unter das Dach von Chacom gebracht hat, kauft man schließlich 1994 auch den Mitbewerber Ropp auf. Es sind bewegte Jahre im Hause Chacom. Stets sucht man nach neuen Wegen, kreiert 1996 mit der „Chacom Volute“ die erste Designerpfeife, in Zusammenarbeit mit Claude Robin. Allen Unkenrufen zum Trotz wird die Linie ein großer Erfolg, in Deutschland aber mehren sich die Stimmen, die die unüberblickbare Vielfalt des Angebots und die allzu modernistische Linie kritisieren.

Ein Jahr später wird Chacom die erste Importmarke in Russland, die „Volute 2“ erscheint und man plant, die Designerlinien auszubauen. Das Konzept ist der französischen Regierung sogar eine Unterstützung wert und man legt ein Konzept fest, nachdem in den Folgejahren auch Künstler, wie Claude Robin und Erwin van Handenhoven mit einbezogen werden sollen. Die Hedo- und Cyclade-Produktlinie erregt in der Szene genauso Aufsehen, wie die Pastel-Serie und die ein Jahr später lancierte Milleniumpfeife von Yves Grenard, der fortan jedes Jahr ein weiteres Modell folgen soll. Ein weiterer Meilenstein für Chacom wird das Jahr 2003, in dem man die erste Exportmarke in China wird.

Bis hierher liest sich die Erfolgsgeschichte von Chacom zumindest aus deutscher Sicht verwunderlich. Hat doch Chacom, genau wie der Mitbewerber Butz-Choquin , in den letzten drei Jahrzehnten nicht unbedingt eine führende Rolle am deutschen Markt gespielt. Nun, der deutschsprachige Käufer ist hinsichtlich Designlinien bei Pfeifen nicht so leicht zu begeistern, wie z.B. die wesentlich offeneren Amerikaner. Das gilt für Schweizer, Österreicher und Deutsche gleichermaßen. Für die deutschen Fachhändler war immer auch die enorme Vielfalt der französischen Anbieter ein Problem. Unzählige Serien und Varianten machten es schwer, auch nur einen Bruchteil des Angebots auf beschränkter Laden-und Lagerfläche anbieten zu können. Auf den deutschsprachigen Märkten kam eine gewisse Enttäuschung der, eher klassisch orientierten Käufermehrheit hinzu. Vernachlässigte doch auch Chacom im Enthusiasmus für neue Linien und Farben die rein klassischen Linien des Hauses und erschreckte oder schockte (je, nach Gemütszustand) viele Pfeifenfreunde durch zum Teil sehr gewagte Farben und Oberflächen. Eine ganze Generation hiesiger Pfeifenraucher denkt mit Schrecken an die „Fancy-Welle“, bei der die Pfeifengeschäfte von quietschbunten und auch noch folierten (!) Pfeifen überschwemmt wurden und den Besuch im Fachgeschäft zur Mutprobe für den Geschmack machten.

Natürlich gab es immer auch hervorragende Produkte aus dem Hause Chacom und selbstverständlich stand über alle Jahre auch eine Auswahl an klassischen Pfeifen und Oberflächen bereit. Nur übersah man sie schnell, wozu auch häufige und schnelle Richtungswechsel beitrugen.
Der Markt hat sich weltweit massiv geändert, die Absatzzahlen sinken von Jahr zu Jahr. Genau wie andere, große Pfeifenfirmen muss Chacom umdenken, neue Märkte finden und sich auf den immer mehr schrumpfenden, klassischen Markt in Europa einstellen. Vielen Mitbewerbern fällt das ebenso schwer, einige haben bereits die Segel gestrichen. Mittelfristig ist das Ende der meisten, großen Traditionsnamen absehbar. Denn die Märkte, die noch entsprechenden Absatz bieten, wie z.B. Südost-Asien hatte man nie auf dem Schirm. Dort konnten die Chinesen inzwischen in aller Ruhe Fuß fassen und ihre Marktposition ausbauen. Doch, das ist nicht die Schuld der chinesischen Anbieter, das ist Schuld der traditionellen Sichtweise, die bis heute die meisten, alt eingesessenen Firmen pflegen. Wer weiß…bei Chacom hat man es nie leicht gehabt. Vielleicht findet sich auch dieses Mal ein Weg. Zu wünschen wäre es der Traditionsfirma allemal. Die Chancen allerdings stehen nicht gut.
