Ziel dieser Siedlerflotte war dieses Mal die Chesapeake Bay. Hier fließt der James River ins Meer und die Siedler hatten die Anweisung, ihre Niederlassung etwa 100 Meilen vom Delta entfernt zu errichten. Von den zahlreichen, mitgeführten Anweisungen war das nur eine, die nicht beachtet wurde. Man siedelte gerade einmal 30 Meilen vom Delta entfernt und handelte sich damit gleich mehrere Probleme ein. Die Gegend war sumpfig und somit auch eine Brutstätte für Mücken und andere Insekten, außerdem war die Halbinsel schlecht gegen Angriffe zu verteidigen. Alle diese Fehler wurden gemacht, weil die meisten Siedler nicht nur unerfahren waren, sondern auch sehr lustlos auf Anstrengungen und körperliche Arbeit reagierten. Weiterzuziehen war ihnen einfach zu anstrengend.

Ein weiteres Problem war ihnen zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt. Ihre neue Ansiedlung, Jamestown genannt, befand sich ganz in der Nähe eines Indianerstamms, dessen listiger Häuptling Powhatan voller Misstrauen gegenüber den Eindringlingen war und sie gern wieder von dort vertrieben hätte.
Obwohl Jamestown von Wäldern umgeben war, die vor Wild nur so wimmelten, obwohl es dort auch Kräuter, Pilze und andere, essbare Pflanzen gab, ließ die erste Hungersnot nicht lange auf sich warten. Die mitgebrachten Vorräte waren alsbald verbraucht und zum Jagen und Sammeln waren sich die vornehmen Herren und faulen Tagediebe unter den Siedlern einfach zu fein.
Schon bald musste man sich zu den Ureinwohnern begeben, um dort Korn und Fleisch zu erbetteln.

Diese Vorgänge erscheinen aus heutiger Sicht schwer verständlich. Man muss sich aber vor Augen führen, mit welchen Lügen und leeren Versprechungen diese Siedler angeworben wurden. Das Land sei schon voll von Engländern, hieß es. Die Ureinwohner seien dumpf und unterwürfig und würden die Siedler quasi auf Händen tragen. Der Reichtum läge an jeder Ecke, man bräuchte ihn nur einzusammeln. Wobei das mit dem Reichtum nicht einmal gelogen war, wie sich rund um Jamestown noch herausstellen sollte. Dazu aber später mehr.
Letztlich kam es, wie es kommen musste. Laut Aufzeichnungen lebten von den 140 Siedlern, die gelandet waren, am 8. Januar 1608 noch ganze 38. Diese Überlebenden gaben mutlos die Befestigung Jamestown auf und ruderten den James River hinab, zur Küste. Ihre Hoffnung war, dass ein vorbeikommendes Schiff sie aufnehmen und zurück nach England bringen würde.
Ein Schiff kam tatsächlich und mit ihm alles anders, als gedacht. An Bord des großen Seglers befanden sich nämlich die dringend benötigten Nachschübe an Nahrung und Material, sowie 120 weitere Siedler. Das gab den Überlebenden neuen Mut und gemeinsam mit den Neuankömmlingen kehrten sie nach Jamestown zurück. Unter diesen, neuen Siedlern befanden sich nun auch die angeworbenen Polen und Deutschen, sowie ein Mann, der für die weiteren Geschicke der Siedlung Jamestown die entscheidende Rolle spielen sollte: John Smith.

Smith setzt sich unter den Siedlern rasch durch und wird zu deren Anführer. Die Leute haben ihn mit „Kapitän“ anzusprechen und er führt ein hartes, aber gerechtes Regiment. Sein Motto ist, dass nur der zu essen bekommt, der auch dafür arbeitet. Er teilt die Leute nach ihren Fähigkeiten ein und ordnet die Abläufe. Eine besondere Rolle nehmen dabei die polnischen und deutschen Siedler ein. So schreibt Smith, der über die Fortschritte der Siedlung Buch führt, über die Deutschen: „Die verdammten Deutschen. Halsstarrig sind sie, sture Esel, schwer zu leiten. Doch, mit 30 von ihnen schaffe ich mehr, als mit 1000 englischen Nichtstuern und Drückebergern, von denen noch nicht einer ein ganzes Tagwerk vollbracht hat!“

Die Kunde von der aufstrebenden Siedlung dringt nach England. Die Londoner Handelsgesellschaft schickt daraufhin weitere Schiffe mit Gütern und vor allem weiteren Siedlern. Jamestown stabilisiert sich und wächst. Zusätzlich kommt aus London der Auftrag, den James River hinaufzufahren, um nach Gold oder anderen Bodenschätzen und eventuellen Stollen und Abbaustellen zu suchen. Außerdem soll man sich auf die Suche nach einer Durchfahrt zur (vermuteten) „Ostindiensee“ machen.
Wieder setzt sich John Smith mit aller Kraft für diese Aufgabe ein. Er unternimmt im Sommer des Jahres 1608 zwei Fahrten die Cesapeake Bay hinauf und startet am 2. Juni in einem offenen Boot und mit 14 Mann Besatzung zu einer Erkundungsreise. Smith führt auch hier Tagebuch. Den Eintragungen lässt sich entnehmen, wie auf dieser Fahrt neues Land für die Krone annektiert wurde und dadurch die Kolonie „Virgina“ weiter wuchs. Smith berichtet aber auch immer wieder von gewaltsamen Auseinandersetzungen mit den Ureinwohnern. Man dachte in London halt sehr überheblich und blauäugig, als man per Schriftstück empfahl,„einen friedlichen Umgang mit den Indianern zu pflegen!“
Über 200 Indianersiedlungen verzeichnet Smith auf seiner viel beachteten Karte, die er während der Reise anfertigt.

Insgesamt darf man sagen, dass dieser John Smith ein Segen für die englische Krone und für die aufstrebende Kolonie Jamestown war. Im Juni 1609 aber explodiert eine Pulverflasche und verletzt Smith so massiv am Bein, dass er mit dem nächsten Segler nach England zurück muss, um dort mögliche Heilung zu finden. Mit ihm geht die straffe Organisation und die Tatkraft. In Jamestown wird der folgende Winter zur Katastrophe. Die Siedler hungern regelrecht aus. Heutige Untersuchungen von Skelettfunden belegen, dass zumindest eine Person von den Hungernden gegessen wurde. Daran kann man ermessen, wie tragisch und aussichtlos die Lage gewesen sein muss. Von den 490 Bewohnern der Kolonie überleben nur knapp 60 Menschen diese Hungerzeit. Wieder steht das Projekt Kolonialisierung kurz vor dem Aus.

Diesmal aber reagiert London richtig. Als im Juni 1610 Kapitän de la Warr mit seinen Schiffen in Jamestown ankommt, bringt er nicht nur den dringenden Nachschub, sondern auch eine Reihe handverlesener Siedler. Diese Leute wurden ob ihrer Fähigkeiten ausgesucht und mit genauen Instruktionen versehen, bevor sie sich auf die Reise machten. Das Jamestown aber nicht nur gerettet werden konnte, sondern binnen kurzer Zeit zu Wohlstand kommen sollte, war einem Siedler zu verdanken, der mit den Schiffen von de la War in Jamestown ankam.
John Rolfe brachte das Wissen aus England mit, dass man dort schier verrückt nach dem „Saufkraut“ war. Jedermann wollte Tabak und Pfeifen, die Nachfrage überstieg nicht nur dort die kühnsten Erwartungen. Nun kommen wir zurück, zum versprochenen „Reichtum, den man nur aufsammeln muss.“
Rolfe fiel nämlich auf, dass rund um Jamestown Unmengen von wildem Tabak wuchsen. Die Siedler mussten nichts weiter tun, als ihn zu ernten. Diesen Tabak schickte man nach England und in Windeseile erreichte das nächste Schiff mit Nachschub die Cesapeake Bay. Das tat die Londoner Handelsgesellschaft nicht etwa aus purer Menschenfreundlichkeit. Man sandte die Nachschubschiffe in der Hoffnung, dass diese auf dem Rückweg den Bauch voll mit Tabak aus Jamestown hätten, der in England Spitzenpreise erzielte.

Seinen Siedlerkollegen war John Rolfe unheimlich. Ein Sonderling, der sich ganz für sich hielt. Warum suchte dieser Mann wohl den friedlichen Kontakt zu den „nutzlosen Indianern“? Als Rolfe dann noch begann, seine Flächen zu roden, um Tabak anzupflanzen, wurde er zum Gespött von Jamestown. Allerdings nicht lange, denn John Rolfe wusste genau, was er tat. Ihm war klar, dass die Ureinwohner den Tabak schon lange als Genuss-und Heilmittel entdeckt hatten. Wer, wenn nicht sie, kannte sich mit Anpflanzung und Veredelung aus? Kurze Zeit später konnte Rolfe eine Rekordernte einfahren. Sein Tabak war besser, als alles, was man bis dahin gesehen hatte. Nicht nur das…John Rolfe bekam von den Ureinwohnern ein Verfahren erklärt, nach dem sie ihre Tabake beizten und so geschmacklich stark verbesserten. Auf dem Weltmarkt schlug Rolfes Tabak ein, wie eine Bombe. War er doch um so viele Qualitätsstufen besser, als die Tabake, die die Spanier schon längere Zeit aus Westindien auf den Markt brachten. Das war der Start in eine großartige Zukunft. Schon 1618 verließen 30.000 Pfund besten Tabaks Jamestown in Richtung England.
1619 kam es dann zu einer Begebenheit, die sogar Anlass für Romane und Filme in heutiger Zeit war und ist. John Rolfe heiratet die Tochter von Häuptling Powhatan. Ihr Name ist Pocahontas. Die Trauung findet in der kleinen Holzkirche von Jamestown statt und Pocahontas nimmt den Namen Rebekka an, um zukünftig als Rebekka Rolfe in Jamestown zu leben. Dieses Ereignis sorgt auch über lange Zeit für ein friedliches Zusammenleben mit den Ureinwohnern.

Doch Jamestown wächst und wächst. Die Ureinwohner sehen sich immer mehr zurückgedrängt und das sorgt auch beim Stamm von Powhatan für große Unzufriedenheit und aufgeladene Stimmung. Vor allem Pocahontas Bruder, Opecannough, schürt den Hass auf die weißen Siedler. Dazu trägt auch der Umstand bei, dass erstmalig 20 Schwarzafrikaner nach Jamestown verbracht werden und die Indianer bemerken, dass diese Menschen dort als Sklaven gehalten werden.

Als Rebekka und John Rolfe auf Einladung der Londoner Gesellschaft den Winter 1621-22 in London verbringen, eskaliert die Situation in Jamestown. Im Februar überfallen die Indianer die Ansiedlung und töten 350 Männer, Frauen und Kinder. Nur sechs von achtzig Farmen werden verschont. Doch, die Siedler sind gut organisiert und gerüstet. Kurze Zeit später löscht ein Vergeltungsschlag nahezu das ganze Indianerdorf aus. Die wenigen Ureinwohner, die überleben, sind gezwungen, das Gebiet zu verlassen.

Diese menschliche Tragödie sorgte in London hingegen für große Zufriedenheit. Stand doch damit einem weiteren Wachstum von Jamestown nichts mehr im Wege. Bereits 1627 betrugen die Tabaklieferungen von dort eine halbe Million Pfund. Der Grundstein für das Tabakimperium Virginia war gelegt.
In der heutigen Zeit wird die Tabaksorte Virgina in vielen Ländern der Erde angebaut. Durch Veredelungen und Umzüchtungen unterscheidet sie sich auch merklich vom damaligen „Urkraut“. Ihr Siegeszug hält aber unverändert an. Jamestown ist mit der Zeit zu einer Art Freilichtmuseum geworden, wo durch Denkmäler und historische Vorführungen die Besiedelungsgeschichte Virginias für die Besucher nachvollziehbar wird. Was noch vor wenigen Jahren als makellose Erfolgsgeschichte weißer Siedler präsentiert wurde, erfährt inzwischen doch eine Wandlung. Zumindest geht man bewusster mit der Tragik, mit den Entbehrungen um, die diese Besiedlung mit sich brachte…und schon seit einigen Jahren befassen sich hochdotierte und erfahrene Forscher mit den Hintergründen.
Aus heutiger Sicht über diese Geschichte zu lesen, ist bisweilen sperrig und schwierig. Wird einem doch immer wieder vor Augen geführt, dass der so erarbeitete Erfolg immer mit Leid und Vernichtung einher ging. Es ist auch nicht so leicht, darüber zu schreiben. Zumal in einer Zeit, die für die damaligen Vorgänge immer sensibler wird. Der geneigte Leser wird bemerkt haben, wie ich manchmal um Formulierungen ringen musste, wie unentschlossen ich zwischen den Bezeichnungen Ureinwohner und Indianer hin und her gehüpft bin.
Doch, ehrlich? Dies ist ein Blog, der sich mit Pfeifen, Tabaken und ihrer Geschichte auseinandersetzt.
Völkerrechtliche Klärungen und Schuldzuweisungen überlasse ich gern dem Leser selbst…oder Fachleuten, die dafür deutlich geeigneter sind, als ich. Ich erzähle nur Geschichten…und hoffe, dass das auch in Ihrem Sinne ist. Vielen Dank für Ihr Interesse an dieser Story.
