BURLEY-Allrounder mit Imageproblem

Reden wir vom stilleren, vom unauffälligeren Bruder. Während der Virginia jedem Pfeifenfreund ein klarer Begriff ist, herrscht beim Burley eher eine diffuse Wahrnehmung. Brüder? Ja, in der Tat. Beide stammen von der Pflanze ab, die die Ureinwohner Amerikas verrauchten und so die Aufmerksamkeit der ersten Siedler auf sich zogen. Man stellte aber schnell fest, dass die „Nicoteana Rustica“ durch ihre Stärke und Ruppigkeit nur von einem kleinen Kreis der Raucher als bekömmlich empfunden wurde. Durch Kreuzungen und Abzüchtungen kam man schließlich zu dem Tabak, der einem ganzen Staat zu Wohlstand verhelfen sollte. Der Virginia war geboren.

Natürlich wurde nicht nur im Siedlungsgebiet Virginia Tabak angebaut. Tennessee, Maryland, Ohio und Kentucky waren ebenfalls früh Anbaugebiete. In Kentucky wurde eine Tabakart nach und nach kultiviert, die einer Wildkreuzung entstammte, also nicht das Werk von menschlichen Kreuzungsversuchen war.

Hier sieht man gut die Größe eines unteren Burleyblattes

Die Blätter waren größer, deutlich dicker, poröser und viel dunkler, als beim Virginia. Als Trocknungsverfahren hatte sich bewährt, diesen Tabak über Holzfeuern zu trocknen. Ob das quasi der Ur-Burley war? Dazu später mehr, die Farmer nannten und nennen ihren Tabak bis heute nach dem Anbaustaat: Kentucky.

Es war 1864, als im Anbaugebiet Bracken County zwei Siedler an Tabaksamen einer Kreuzung dieser Tabaksorte kamen. George Webb und Joseph Fore nahmen dieses Saatgut mit nach Ohio. Dort trafen sie auf Captain Frederick Kautz, Bürgerkriegsveteran und mittlerweile Tabakfarmer in Higginsport, der dieses Saatgut mit Interesse und Mut zum Risiko anbaute. Was dabei herauskam, war überraschend neu. Die Blätter der Pflanzen waren eher weiß-gelblich schattiert und härteten ganz anders aus, als die bekannten Sorten. Kautz setzte auf diese neue Sorte, baute bis 1866 über 20.000 Pfund davon an und verkaufte ihn 1867 erfolgreich auf der St.Louis Fair für 58 Dollar pro 100 Pfund. Der Burley war geboren-oder eigentlich der „White Burley“. Diese Bezeichnung hatte er zunächst. Sie ist in der Folge aber nach und nach zu Burley gekürzt worden und ich verwende im weiteren Verlauf auch nur den gekürzten Begriff, um nicht zu verwirren.

Die Gedenkplatte für die „Väter“ des White Burley

Während Cincinnati/Ohio bis 1883 zum Hauptumschlagplatz für diese Sorte wurde, krempelte der Burley die Anbaugebiete Tennessee, Carolina, Kentucky und anderen Staaten regelrecht um. Anbau, Produktion und Qualität nahmen rapide zu und führten zu einem regelrechten Boom. 1880 erreichte Kentucky 36% der gesamten Tabakproduktion aller Staaten und damit eine fast doppelt so hohe Produktion als Virginia. Einen zusätzlichen Schub bekam der Burley mit dem Aufkommen der Cigarette, der letztlich bis in die 1970er Jahre anhielt. Seit den frühen 80ern nahm die Zahl der, Tabak anbauenden Farmer in den USA aber deutlich ab, da einmal der Bedarf nicht mehr so groß war und zum Zweiten der Burley im Laufe der Zeit auch andere Anbaugebiete fand. So werden heute große Mengen des Tabaks z.B. auch in Brasilien, Malawi oder Argentinien angebaut.

In den USA gibt es die größten Anbauflächen immer noch in Kentucky (70%) und Tennessee (20%). Dazu kommen kleinere Anbaugebiete in Indiana, North Carolina, Missouri, Ohio, Virginia, Maryland, Pennsylvania und West Virginia.

Schon früh stellten die anbauenden Farmer fest, dass sie sich mit dem „Verkaufsschlager“ Burley eine Pflanze auf die Felder geholt hatten, die nicht einfach zu ziehen und deutlich empfindlicher war, als ihre Schwester Virginia. Bis in die heutige Zeit ist intensive Betreuung nötig, will man gute Erträge haben.

Die aufgereihten Burleypflanzen bei der Ernte.

Angezogen werden die Samen im März und April, indem man sie in Styroporschalen auf ein Bett aus gedüngtem Wasser gibt. Umgepflanzt wird dann von Mai bis Juni, ein geringer Prozentsatz wird erst im Juli gesetzt. Von Beginn an müssen die Pflanzen genau beobachtet werden, sie sind sehr empfänglich für Blauschimmel oder Schwarzbeinigkeit- ein Befall, bei dem die Pflanzen am Fuß abzufaulen beginnen. Dazu kommt häufiger Schädlingsbefall durch Blattläuse, sowie Knospen- und Tabakhornwürmer. Doch selbst, wenn die Pflanzen frei von solchem Befall bleiben, ist der Kultivierungsschnitt sehr aufwendig. So muss etwa 60 Tage nach der Pflanzung der entstehende Blütenkopf entfernt werden, damit die für ihn aufgebrachte Energie den Blättern zugutekommt.

Die Pflanze beginnt daraufhin, vermehrt Schösslinge zu bilden. Diese sogenannten „Sucker“ müssen entfernt werden, sollen nicht Ertrag und Qualität massiv leiden.

Geerntet werden die Pflanzen nach der sogenannten „Stalk-Cut“-Methode. Mit einem Messer, das einem Tomahawk ähnelt, trennt man die Stängel in Bodennähe ab. Meist verbleiben die Pflanzen dann für zwei-drei Tage zum Anwelken auf dem Feld.

Danach wird der Pflanzenfuß mit einem Stahlhaken durchstochen und Pflanze für Pflanze so kopfüber auf Stangen aufgereiht und in Trockenscheunen aufgehängt.

Dieser Burley ist fertig getrocknet und kann sortiert und weiterverarbeitet werden.

Die Besonderheiten des Burley entstehen beim Trocknungsvorgang. Da die Scheunen Dächer und Wände besitzen, kommt kein Sonnenlicht an die Pflanzen. Sie trocknen nur durch die, sie umgebende Luft. Maßgeblich für die gute Qualität eines Burley ist, dass er in Ruhe und auf natürlichem Weg trocknen kann.Es dauert etwa sechs Wochen, bis sich die Farbe der Blätter von gelblichem Grün zu sattem Braun verändert hat und die Blätter fertig zur Weiterverarbeitung getrocknet sind. In dieser langen Trocknungszeit verliert der Tabak beinahe seinen kompletten Zuckergehalt. Er bietet also nur wenig bis keine Süße, im Gegensatz zur Virginia-Schwester.

Danach werden die Blätter von den Stängeln entfernt und zur Weiterverarbeitung sortiert. Das ist wichtig, da die oberen Blätter einer Pflanze deutlich kräftigeren Geschmack ergeben, als die unteren.

Entrippung (Trennung der Blätter vom Stängel) und Sortierung der Blätter nach Größe

Trennen wir uns an dieser Stelle von den Burleys, die an die Cigarettenproduktion gehen und schauen uns an, was der Pfeifenraucher  vom Burley hat.

Verarbeitet und pur genossen entpuppt er sich als relativ kräftig und vollmundig, mit einer trockenen Kakaonote. Im Zusammenspiel mit Virginias gibt er den Mischungen Fülle und Körper, sorgt für „rundes“ Aroma. Zudem eignet er sich vorzüglich, um allzu „vorwitzigen“ Virginias ihre Schärfe zu nehmen. Wie das geschieht, ist gut chemisch zu erklären. Mit einem PH-Wert von etwa 5 gilt der Virginia als sauer. Der Burley hingegen weist einen PH-Wert von etwa 7 auf und ist damit mehr oder weniger neutral. So gelingt es ihm, dem Virginiarauch die Schärfe zu nehmen und Mischungen runder, milder, bekömmlicher zu machen.

Ein weiterer, großer Vorteil der Burleyblätter ist, dass sie deutlich poröser, schaumiger sind, als die Blätter des Virginia. Der Burley kann also beim Casing-Prozess deutlich mehr Aroma aufnehmen. Traditionelle, amerikanische Mischungen enthalten oft mehr Burley, als Virginia-damit einfach mehr zugesetztes Aroma in den Mischungen unterzubringen ist.

Burley ist nicht gleich Burley. Hier mal eine Übersicht der verschiedenen Sorten, die durch Kreuzungen und Abzüchtungen entstanden sind.

Das dem Burley oft mehr Stärke nachgesagt wird, als dem Virginia, liegt übrigens auch am PH-Wert. Neutraler oder alkalischer Rauch transportiert nämlich mehr Nikotin, als sein saures Pendant. Wenn Mischungen also kräftiger herüberkommen sollen, mischt man mehr Burley zu. Natürlich können auch reine Burleys ein runder, nussiger und schokoladiger Genuss sein. Der besondere Dank der Burley-Fans gilt da seit Jahrzehnten vor allem den Anbietern Mac Baren und Cornell and Diehl, die immer wieder reine oder fast reine Burleys von hoher Qualität zum Pfeifenfreund brachten und bringen und so das Image dieses, vielseitigen Krauts deutlich kultiviert haben. Von wegen „Cigarettentabak“…keine Tabaksorte ist vielseitiger, als der Burley.

Um das zu untermauern kehren wir noch einmal an den Ausgangspunkt unserer Geschichte zurück-nach Kentucky.

An dieser Trennlinie sieht man sehr schön den Unterschied zwischen Kentucky (links)und Burley

Dort wurde und wird natürlich nicht nur der Burley angebaut, den man zunächst „White Burley“ nannte…sondern auch der…hm, wollen wir ihn „Ur-Burley“ nennen? Der Kentucky hat nämlich große Ähnlichkeit mit dem Burley, ist eigentlich auch einer…doch, niemand nennt ihn so. Zunehmend bekannt geworden ist er, gerade in den letzten Jahren, als Dark Fired Kentucky oder kurz Dark Fired.

Hier wird der Tabak nicht von der Umgebungsluft getrocknet, sondern durch darunter befindliche Schwelfeuer, in den USA meist aus Hickoryholz. Der schon im frischen Zustand sehr zuckerarme, ölhaltige und würzig-dunkle Tabak bekommt durch diese Trocknung ein kräftiges, rauchiges und sehr markantes Aroma.

Noch um 2010 waren Mischungen mit hohem Dark Fired-Anteil eher selten. Genannt sei hier der Orlik Dark Strong Kentucky und der Peterson „Irish Flake“. Ansonsten fand er sich eher als geringe Beimischung zu anderen Mixturen. So richtig „aufs Pferd geholfen“ hat dem Dark Fired eigentlich Per Georg Jensen, das Mastermind von Mac Baren. Durch den „HH Bold Kentucky“ wurde der Dark Fired wesentlich mehr in die Aufmerksamkeit der Pfeifenfreunde gerückt und auch kleinere Blender widmen dem Kentucky zunehmend mehr Beachtung.

Ein Klassiker von Mac Baren aus verschiedenen Epochen.

Sollten Sie übrigens Unterschiede im Geschmack bei verschiedenen Kentuckys feststellen, liegt das daran, dass der Kentucky schon lange nicht mehr nur in den USA angebaut wird, sondern auch in Teilen Afrikas. Da dort natürlich auch andere Holzarten zur Feuertrocknung verwendet werden, ergeben sich durchaus andere Geschmacksnuancen. Der „Afrikaner“ gilt als etwas blumiger, weicher, während der „Amerikaner“ rauchiger und erdiger herüberkommt.

Zum Schluss reisen wir, wenn Sie mögen, vom „Blue Grass State“ Kentucky noch ins Parish (was so viel heißt, wie „Pfarramt“) St.James, in Louisiana, 80 Meilen vom Golf von Mexico entfernt. Hier fertigt Mark Ryan, als letzter verbliebener Produzent, das Zauberkraut namens Perique…und der Grundtabak für diese Spezialität ist…Sie werden es erraten: Kentucky Green River Burley !

Man sieht also, dass der Burley weit mehr ist, als nur schmückendes Beiwerk, nur „Cigarettentabak“.

Ohne ihn wären viele, beliebte Mischungen nicht denkbar und viele Spezialitäten hätten niemals das Genießerherz erfreut. Er lebe hoch-trotz seines Imageproblems.

Burley-Ernte…seit jeher harte Arbeit.

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