STANWELL- Vom Holzschuh zur Weltmarke

Ein Logo, das weltbekannt wurde

Holzschuhe-damit hat alles angefangen. Als Poul Nielsen 1942 seine „Kyringe Holzverarbeitung“ gründete, fertigte er dort Holzschuhe und andere Gegenstände des täglichen Lebens. An den meisten Dingen mangelte es schließlich. Man befand sich mitten im zweiten Weltkrieg, Dänemark war vom deutschen Reich besetzt und von jeglichem Nachschub weitgehend abgeschnitten. Das musste auch die große Zahl dänischer Pfeifenraucher schmerzlich feststellen. Bezog man doch vor dem Krieg Pfeifen in stattlicher Anzahl aus England, das vor dem Krieg das Zentrum europäischer Pfeifenmacherei war und die englischen Pfeifen in Dänemark wohlbekannt.

Doch, daran war 1942 nicht zu denken und Pfeifen im Land Mangelware. Das fiel auch Poul Nielsen auf. Da auch keinerlei Hoffnung darauf bestand, Bruyere zu importieren, um daraus Pfeifen zu machen, griff Nielsen auf heimische Hölzer zurück und begann, die „Kyringe Piben“ zu fertigen. Alsbald erfreuten sich seine Pfeifen großer Beliebtheit und die Holzschuhe mussten ihre Führungsrolle in der Produktion abgeben. Zum Ende des Krieges stand für Poul Nielsen fest, dass er versuchen würde, die dänischen Pfeifen in Konkurrenz zu den englischen Herstellern auf den Markt zu bringen. Einzig der Zugang zu Bruyereholz fehlte noch.

Sixten Ivarsson, einer der Väter des weltweiten Stanwell Erfolgs und bis ins hohe Alter eine Pfeifenmacher-Legende!

Zeitgleich kam ihm zu Ohren, dass es in Copenhagen einen Pfeifenreparateur gäbe, im Laden von „Suhr“, der mit großem Talent aus noch vorhandenen Bruyere-Stücken außergewöhnliche Pfeifen schuf. Die Neugier trieb Nielsen in den Laden und dort lernte er den jungen Schweden kennen, der in späteren Jahren enormen Einfluss auf sein Unternehmen haben sollte. Der Name des jungen Mannes war Sixten Ivarsson.
1948 war es dann endlich so weit und die ersten Säcke mit Bruyereholz kamen in Kyringe an. Nielsen war startklar…aber, er war auch klug. Ihm war klar, dass er als völlig unbekannter Däne gegen die etablierte, englische Industrie kaum eine Chance haben würde. In den Köpfen der Raucher war eingeprägt, dass Qualitätspfeifen nun einmal aus England kamen. Der listige Nielsen setzte sich hin und schuf ein Firmenzeichen, wie es englischer nicht sein konnte: die englische, einachsige Taxi-Kutsche mit dem Cabby auf dem Bock. Zusätzlich musste natürlich der Name Nielsen verschwinden. Nach kurzer Überlegung war auch in dem Fall eine „englische Lösung“ gefunden. Von nun an hieß die Fabrik STANWELL.

Blick in einen alten Stanwell-Katalog

Direkt zu Beginn arbeitete Nielsen eng mit dem Riesentalent Sixten Ivarsson zusammen. Ivarsson wurde zum Mastermind für das Stanwell-Design. Bereits der erste Katalog enthielt nicht weniger, als zehn Modelle aus Ivarssons Hand. Im Laufe der Jahre sollten noch dreißig weitere Modelle dazu kommen. Auf diese Zeit gehen Stanwell-Shapes, wie die 11 und die 124 zurück. Modelle, die zu ewigen Ikonen des Pfeifenbaus wurden.

Sixten Ivarssons Entwurf der „124“, bis heute ein Klassiker!


Der einsetzende Erfolg zog aber auch Ärger mit sich. So geriet der immer noch bei Suhr angestellte Ivarsson mit seinem Chef in Streit über die Lizenzgebühren für die Modelle, die für Stanwell entworfen wurden. Ivarsson kündigte kurzerhand und machte sich als Pfeifenmacher selbstständig. An der engen Zusammenarbeit mit Nielsen änderte das wenig. Ganz im Gegenteil. Ivarsson kam mit jungen Kollegen in Kontakt und konnte sie überzeugen, auch Modelle für Stanwell zu entwerfen.
So kamen über die Jahre Modelle von Jess Chonowitsch, Tom Eltang, Anne Julie, Per Hansen (Bang), Poul Ilsted und letztlich auch Sixtens Enkelin,Nanna Ivarsson, ins Programm.

Ein paar Impressionen von den Arbeitsabläufen bei Stanwell

Schon zu Beginn der 50er Jahre war klar, dass Nielsen den richtigen Riecher gehabt hatte. Zu den Formenideen von Ivarsson kam Nielsens Talent, Maschinen so zu konstruierenzu lassen, dass sie auch ausgefallene Formen in großer Zahl fertigen konnten. Der einsetzende Erfolg auf dem Weltmarkt machte Nielsen so euphorisch, dass er kurzerhand seinen Namen änderte: Poul Stanwell war geboren. Stanwells Motto, Pfeifen so gut, ausgefallen und preiswert zu fertigen, dass sich auch der geringer Verdienende eine gute und ungewöhnliche Pfeife leisten konnte, führte auf allen Weltmärkten zu hohem Ansehen. Zu Beginn der 60er Jahre waren Stanwell-Pfeifen eine Macht, die die englische Konkurrenz massiv in die Schranken wies.

Die umgebaute Molkerei in Borup, die ab 1969 zu Stanwells neuer Heimat wurde.

Die Welt sprach plötzlich von dänischem Design und meinte nicht nur die Möbel, die von dort kamen. Der Aufwind, den Stanwell der dänischen Pfeife gab, kam letztlich auch den einzelnen, dänischen Pfeifenmachern zugute. Dänemark war plötzlich buchstäblich in aller Munde.
1969 kam es zu einem weiteren, wichtigen Schritt in der Unternehmensentwicklung. Das Werk zog nach Borup, in die Nähe von Copenhagen, um. Dort wurde die ehemalige Großmolkerei umgebaut. Stanwell ging es nicht nur um eine höhere Effizienz des Unternehmens, sondern auch um eine kürzere Entfernung zu Sixten Ivarsson, der nach wie vor eine wesentliche Rolle im Unternehmen spielte. Effizienz war auch notwendig. Schließlich fertigte die Belegschaft, die übrigens zu zwei Dritteln aus Frauen bestand, bis zu 250.000 Pfeifen pro Jahr.

Jens Lillelund (l.) und Arne Dehli vor einem Portrait von Poul Nielsen-Stanwell

Nach und nach fanden auch Führungspersönlichkeiten zum Unternehmen, die Poul Stanwell entlasten und das Unternehmen in seinem Sinn führen konnten. Hier seien nur die Werksleiter Jens Lillelund und Arne Dehli genannt, die über einige Jahrzehnte das Unternehmen erfolgreich mitlenkten. Mit den Jahren ließ die Dynamik des Pfeifenmarktes weltweit merklich nach und auch Stanwell wurde davon betroffen. Trotzdem gelang es, das Unternehmen gut im Markt zu halten. Man hatte sich mit den Jahren einen so guten Ruf erarbeitet, dass die Kundschaft treu zu den Pfeifen aus Borup stand. Rund achtzig Modelle fanden sich im Stanwell-Katalog. Jedes Jahr wurden die sechs Modelle gestrichen, die sich am schlechtesten verkauften und durch sechs neue Modelle ersetzt.

Aufwendig gefertigte Jahrespfeifen gehörten zu den Glanzlichtern des Stanwell-Programms. Hier das Jahresmodell von 1997.


Erste, massive Einschnitte in die Unternehmensabläufe fanden statt, als nach Poul Stanwells Tod, im Jahre 1982, Stanwell an die Rothman-Group ging. Zwar war mit Jens Lillelund ein Mann aus Poul Stanwells Zeiten am Ruder, der Druck und die Forderung nach Gewinnmaximierung seitens Rothman machte die Arbeit aber nicht leichter, zumal der Pfeifenmarkt deutlich an Absatzzahlen verlor.
Aufkäufe, Übernahmen und Fusionen führten mit den Jahren zur Scandinavian Tobacco Group als neuem Besitzer der Marke Stanwell.

Scheinbar steckte man dort gedanklich noch in den Absatzzahlen der 60er Jahre fest. 2009 nämlich, in einem Jahr, in dem in Borup immer noch 65.000 Pfeifen pro Jahr gefertigt wurden, verkündete man aus wirtschaftlichen Gründen das Ende der Geschichte von Stanwell in Borup. Man hielt sich gar nicht erst mit der Idee auf, sich verkleinert neu aufzustellen, sondern beschloss, das Werk zum 31.12. 2009 zu schließen.

Das Modell 185 aus der Serie „Poul Stanwell“

Natürlich, so verkündete man, würde es die dänische Qualitätsmarke auch weiterhin geben. Als allerdings bekannt wurde, dass mit der Fertigung nun Barontini in Italien beauftragt würde, schüttelten die Experten weltweit nur ungläubig die Köpfe. Scheinbar hatten sich die Qualitätsprobleme der Barontini-Fertigung noch nicht bis nach Dänemark herumgesprochen. Spätestens die Bauchlandung, die Vauen in der Zusammenarbeit mit Barontini hinnehmen musste, hätte Aufmerksamkeit verdient gehabt. Letztlich war klar, dass die STG nicht über die Qualität nach einem Auftragnehmer gesucht hatte, sondern ausschließlich über den Preis.

Was dann in den Folgejahren aus Italien kam, löste, vorsichtig formuliert, Verwunderung aus. Fleckige Beizen, von Spots übersäte Spitzenserien, sich ablösende, aufgedruckte Firmenlogos- die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Zudem kam es zu einer ungeheuren Serienstreuung. Aus der gleichen Serie tauchten wirklich gut gefertigte Pfeifen unmittelbar neben absolut inakzeptablen Exemplaren auf. Das war leicht erklärlich, wenn man Barontinis Vorgehensweise kannte. Da er gar nicht in der Lage war, die geforderten Mengen zu fertigen, fuhr er durch Italien und suchte sich Betriebe, die für ihn als Subunternehmer tätig sein konnten. Dabei waren kleine Pfeifenmanufakturen, die trotz Barontinis fürchterlich schlechter Bezahlung ihre Arbeit ernst nahmen und gute Ware lieferten. Es gab aber ebenso Betriebe, die die Qualitätsfertigung nicht gerade erfunden hatten und/oder wegen der miesen Bezahlung eher wenig motiviert zu Werke gingen.

Die Serie „Gilt Edged“ aus den Hochzeiten Boruper Pfeifenkultur.

Die Proteste und Problemschilderungen der Händlerschaft verhallten weitgehend ungehört. Zudem stand zu diesem Zeitpunkt ein Verkaufsleiter der deutschen STG vor, der mit weitgehender Ahnungslosigkeit in Sachen Pfeifen glänzte. Es sollten sich plötzlich Leute mit dem schwierigen Pfeifenmarkt auseinandersetzen, die kürzlich noch Sportschuhe verkauft hatten.

Gelegentliche Zwischenhochs konnten an der rasanten Talfahrt der Marke bis heute nichts ändern. Zumal man das Wichtigste verspielt hatte, was der Markt zu bieten hat-die Kundentreue.

Noch einmal kam bei Händlern und Kunden Hoffnung auf, als die STG den erfahrenen Zigarren-und Pfeifenfachmann Markus Wirtz ins Unternehmen zurückholte. Doch, auch er konnte gegen die Ignoranz und den phlegmatischen Umgang, den die Konzernspitze mit dem Thema pflegte, nicht wirklich etwas ausrichten.

Zum Zeitpunkt, als dieser Blogartikel entsteht, ist die Zukunft der Marke Stanwell höchst unsicher. Es bleibt noch die kleine Chance, dass sich ein Interessent findet, der die Chancen für diesen, großen Namen noch nicht als vertan ansieht. Die Zeit wird es weisen.

So wurde aus dem genialen Lebenswerk eines pfiffigen Dänen durch Inkompetenz, Profitgier und Ideenlosigkeit ein Pflegefall. Ja, kein Einzelfall in der Weltwirtschaft…doch für alle, denen die Pfeife am Herzen liegt, eine Tragödie.

Poul Nielsen „Stanwell“. Der Mann, der der dänischen Pfeife zu Weltruhm verhalf.

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