
Wie bei anderen, namhaften Pfeifenmachern Italiens auch, begann der Erfolgsweg des jungen Massimo Palazzi in der Manufaktur von Giancarlo Guidi, bei Ser Jacopo, im norditalienischen Pesaro.
Seit Ende der 70er Jahre hatte sich dort, unter Guidis Führung, die „Schule von Pesaro“ gegründet, deren Sinn und Ziel es war, klassische Pfeifenformen mit den Ideen der Moderne zu kombinieren, um so neue Designs, quasi einen Neoklassizismus der Pfeife zu entwickeln. Junge, talentierte Pfeifenmacher gab es rund um das Adriastädtchen genug und so entstand dort eine Talentschmiede, deren Absolventen die internationale Pfeifenszene bis heute stilistisch maßgeblich mit beeinflussen.

Massimo Palazzi kam 1978, mit gerade einmal 23 Jahren zu Mastro de Paja, wo er seine ersten Erfahrungen in der Pfeifenmacherei sammelte. Als er später zu Giancarlo Guidi und Ser Jacopo wechselte, traf er dort auf ein sehr kreatives und ehrgeiziges Team, dem außerdem noch Bruto Sordini und Fabrizio Tombari angehörten. Durch zwei Dinge fiel Palazzi dem Rest des Teams besonders auf. Erstens durch seine Schweigsamkeit und scheinbar mürrische Art und zum Zweiten durch seinen Eifer und seine Hingabe, die keine geregelten Arbeitstage zuließen. Es konnte durchaus passieren, dass Palazzi 12-14 Stunden in der Werkstatt zubrachte, wenn ihn ein besonderer Entwurf einfach nicht zur Ruhe kommen ließ.
Nach ein paar Jahren wechselte Palazzi, wurde Partner bei Il Ceppo und erwarb sich in der Zusammenarbeit mit Franco Rossi weitere Kenntnisse, auch in der Führung eines Unternehmens. Man ergänzte sich gut und war erfolgreich, trotzdem reichte das Palazzi nicht.

1998 beschloss er, sich auf eigene Füße zu stellen. Ja, der Neoklassizismus der Pesaro-Schule lag ihm sehr, doch er wollte seine eigene Note, eine besondere, kreative Verspieltheit mit einfließen lassen. Dazu bedurfte es einer eigenen Manufaktur. Bei der Suche nach dem passenden Namen erinnerte sich Palazzi eines Märchens, dass er als Kind geliebt hatte…und da die Pfeifen ebenso originell heißen, wie aussehen sollten, nannte er seine Firma: „L’Anatra dalle Uova d’Oro“-die Ente mit dem goldenen Ei.
Es lief schon zu Anfang recht gut und Massimo dachte bald über Verstärkung nach. Zwischenzeitlich war ein junger Mann bei Ser Jacopo eingestiegen, dessen Talent Palazzi schnell erkannte. Er nahm Kontakt zu dem Nachwuchsmacher auf und im Jahr 2000 wurde Andrea Pascucci der Partner von Palazzi und bei L`anatra.

Der neue Stil fand schnell Akzeptanz am Markt. Oberflächenkombinationen, besondere Applikationen, viele Panel-Shapes, helle, freundliche Beizen. Die Pfeifen wirkten mediteraner, freundlicher und selbst die, bisweilen verspielten Details zeugten von Geschmack und verfehlten ihre Wirkung nicht.
Ein Meilenstein für die Bekanntheit der L`anatras , auch jenseits des großen Teiches, war 2005 die Wahl zur Pfeifenmarke des Jahres im bedeutenden Magazin „Pipes and Tobaccos“, einer breiteren Öffentlichkeit in Deutschland wurde L`anatra bekannt, als sie schon 2007 mit Ihren Pfeifen im Danpipe-Katalog vertreten waren. Im Laufe der Jahre fertigte man auch für bedeutende Pfeifenclubs in Mailand, Barcelona und Tel Aviv.

Mittlerweile sind die „Enten“ auf allen Pfeifenmärkten eine feste Größe und das Duo Palazzi/Pascucci arbeitet immer noch erfolgreich und harmonisch zusammen…was ja in der Pfeifenszene auch keine Selbstverständlichkeit ist. Wer die beiden kennt, ist der festen Überzeugung, dass sich kein besseres Duo hätte finden lassen. Der rastlose Palazzi, mit seiner bisweilen mürrischen und eher zurückgezogene Art und der verbindliche , freundlich sanfte Pascucci, dem die Arbeit an und mit der Öffentlichkeit deutlich besser liegt. Beides hoch kreative Geister, die vor Ideen nur so sprühen und sich dort ergänzen, wo es darauf ankommt.

Was macht nun den besonderen Stil der L`anatras aus? Wer sie mit den Pfeifen italienischer Kollegen vergleicht, dem fällt auf, dass die „Enten“ weniger urbane Designmerkmale aufweisen. Unauffällige oder zumindest dezente Eleganz ist nicht so das Ding von Palazzi und Pascucci. L`anatras haben durchaus auch handfeste, rustikale Shapes und bisweilen mutige Details aufzuweisen. Da werden gern auch mal ziselierte Silberringe verwand oder massive Hornapplikationen, deren Bearbeitung sie ein wenig „gestaucht“ wirken lassen. Verschiedene Beizfarben an einer Pfeife oder gemischte Oberflächenbearbeitung tun das Übrige, um den Pfeifen ihren ganz anderen, eher „hemdsärmeligen“ Charakter zu verleihen. Zudem sitzt beiden Herren der Pfeifenmacher-Schalk im Nacken und bei manchem Entwurf sieht man ganz deutlich das Augenzwinkern des Machers. Dieser Stil kommt an, alljährlich verlassen etwa 2000 „Enten“ das Nest in Pesaro, um sich auf den Flug in die ganze Welt zu begeben.

Die Graduierung der Marke ist ebenso originell, wie ihr Name und drückt sich durch die verschiedene Anzahl eingestempelter Eier auf der Pfeife aus. Ein weiteres, humorvolles Detail musste leider verschwinden. Frühere L´anatras trugen auf ihrem Mundstück einen kleinen, dreidimensionalen Entenkopf aus Silber. Der musste leider dem Pragmatismus weichen, weil sich vor allem deutsche Händler besorgt über die vermeindliche Bruchgefahr dieses Details äußerten. Doch, die Pfeifen sind auch ohne aufgesetztes Entenköpfchen für viele Pfeifenfans verführerisch, zumal sie sehr sauber und detailverliebt gearbeitet sind. Ente gut-alles gut, könnte man sagen. Doch, das führt bei der Berichterstattung über L`anatra unweigerlich dazu, dass man fünf Euro ins Phrasenschwein werfen muss…weswegen ich hier ausdrücklich darauf verzichte.
