HANS „JOHNNY“NIELSEN-DER MANN, DER FORMER IST

Zeichnung von A. Lopez

Das er eines Tages der „Godfather of Pipe“ genannt werden wird, dass er einmal über 60 Jahre lang Pfeifen bauen wird und seine Perfektion und seine Formensprache auf der ganzen Welt bekannt und geschätzt werden, davon hat Hans Nielsen Mitte der 50er Jahre noch keine Ahnung.

Er ist gerade 15 Jahre alt geworden und auf der Suche nach einer passenden Arbeit. Hans hat ein Motorrad und natürliches Geschick im Umgang mit der Technik. Als er in der Zeitung eine passende Stellenanzeige liest, macht er sich frohen Mutes auf den Weg zum Vorstellungsgespräch. Dort angekommen muss er feststellen, dass bereits mindestens ein Dutzend weitere Bewerber dort warten. In seiner sanften, aber bestimmten Art beschließt Hans, gar nicht erst zu warten, da die Chancen äußerst gering sind. Er hat aber noch eine weitere Stellenanzeige ausgeschnitten. Pfeifen machen Hans ebenfalls großen Spaß und da sucht ein Geschäft einen Reparateur. Das, denkt sich Hans, könnte auch Spaß machen und begibt sich auf den Weg.

Das Geschäft, „Suhrs Pibe Reparation“  befindet sich praktischerweise auch noch in der Nähe von Hans` Zuhause und als Hans im Laden eintrifft wartet…niemand! Er ist der einzige Bewerber und der Besitzer Poul Rasmussen ist erfreut, einen ernsthaft interessierten, jungen Mann einstellen zu können. Schon am nächsten Tag soll es losgehen. Auf dem Weg nach Hause überlegt sich Hans, was er seiner Mutter sagen will. Pfeifen reparieren…sie wird nicht begeistert sein. Ja, Motorräder…das würde sie als ehrbar und halbwegs lukrativ ansehen, aber Pfeifen…?

Eine der ersten Pfeifen, die Hans Nielsen gefertigt hat.

Erwartungsgemäß ist die Mutter nicht begeistert. Letztlich ist aber das Wichtigste, dass der Junge eine Arbeit hat. Nach einer „ordentlichen Beschäftigung“, die auch ihren Mann ernährt, kann man ja immer noch schauen!

Ja, seine Mutter hat ja irgendwie recht, sie will ja auch nur das Beste für ihn. Hans ist aber gespannt auf seine neue Arbeit und fragt sich, was man dabei vielleicht noch fürs weitere Leben lernen kann. Am nächsten Tag ist er pünktlich in der Werkstatt und lernt da seinen Reparatur-Kollegen Sven Lund kennen. Schon bald verbindet die beiden jungen Männer eine echte Freundschaft und Hans hat immer mehr Freude an seiner Tätigkeit. Es ist ein gutes Gefühl , Menschen ihre geliebte, reparierte Pfeife zurückzugeben, die Dankbarkeit über die getane Arbeit zu erfahren. Je schwieriger ein Fall ist, desto mehr reizt es Hans, die Pfeife zu retten. Sehr bald schon beherrscht er Tricks und Techniken, die nicht nur seinen Kollegen, sondern auch Chef Poul Rasmussen in Erstaunen versetzen. Der Junge kann es, der hat richtiges Talent. Dieser „Former“ Nielsen ,da ist sich Rasmussen sicher, kann ein richtig Großer werden.

Eines seiner ganz typischen Shapes.

Zum Spitznamen Former kommt Hans schon in jungen Jahren. Eigentlich „Formby“, weil er dem bekannten Schauspieler aus den 40ern, George Formby,ähnlich sieht und zudem auch dessen elegante, leichte Art hat. Mit der Zeit, durch verschliffene und falsche Aussprache wird daraus „Former“. Nomen est omen…aber, das wird noch einige Jahre dauern.

Zunächst ist Former sehr zufrieden mit seiner Arbeit…ganz im Gegensatz zu seiner Mutter, die immer häufiger fordert, Hans solle sich doch eine „ordentliche“ Arbeit suchen. In späteren Jahren wird er noch oft mit seiner Mutter über deren Skepsis lachen, dass man mit Pfeifen Geld verdienen kann.

Zwei Jahre gehen so ins Land. Hans lernt alle Pfeifenmarken kennen, findet ihre Stärken und Schwächen und wird immer besser. Zu diesem Zeitpunkt könnte er schon eigene Pfeifen machen-tut es aber nicht. Stattdessen gibt er dem Druck seiner Mutter nach und sucht sich einen Job als Mechaniker. Als er seine Entscheidung seinem Chef, Poul Rasmussen, mitteilt, reagiert der zum Einen sehr enttäuscht…andererseits aber auch weise. Er bittet Former, doch zumindest an den Samstagen im Laden weiterzumachen. Rasmussen kann einfach nicht akzeptieren, dass ein solches Talent die Pfeife völlig aufgibt. Formers Kollege, Sven Lund, hat sich zwischenzeitlich selbstständig gemacht und bittet Former „zufällig“, ihm doch gelegentlich zu helfen. So wird Hans Nielsen die Pfeife doch nicht ganz los, was sich in der späteren Zeit als Segen erweisen soll.

Atemberaubend ! Mehr muss und kann man dazu nicht sagen.

Das Militär ruft und Hans ist ein Jahr weg von allen Dingen und Menschen, die ihn bislang geprägt haben. Bei seiner Rückkehr geht er zunächst wieder seinem Mechanikerjob nach, der für seine Mutter ein so ehrbares Handwerk ist.

Doch eines sonnigen Tages führt ihn (vermutlich durch den Geist der Pfeifenwelt)sein Weg zurück zur Pfeifenwerkstatt. Er will alte Freunde besuchen und Poul Rasmussen kann gar nicht glauben, wer da plötzlich wieder im Laden steht. Klug, wie Rasmussen immer war, fällt dem alten Chef sofort ein Stellenangebot ein, dass er kürzlich von Larsen in Kopenhagen las.

Rasmussen erzählt Former davon und der ist sofort begeistert. Also ruft Rasmussen den Manager von Larsen, Sven Bang, an und sagt ihm, dass er die Suche einstellen kann. Former fährt zu Larsen, dort ist man von dem höflichen, freundlichen, jungen Mann sofort angetan. Nun gilt es, sein Geschick zu beweisen. Former bekommt die Aufgabe, acht Shapes aus dem Larsen Katalog nachzufertigen. Da Hans keine Werkstatt zur Verfügung hat, fragt er bei seinem ehemaligen Kollegen nach, ob er dessen Werkstatt an den Wochenenden nutzen kann. Sven Lund ist einverstanden und Former macht sich ans Werk. Die Ergebnisse, die Hans dann bei Larsen vorzeigt, sind so überzeugend, dass man ihn sofort einstellt. Hans ist Pfeifenmacher! Damit muss nun auch seine Mutter einverstanden sein, zumal die Bezahlung ordentlich ist.

Ein Bild aus Formers Zeit bei Larsen. Hier beobachtet er den „Lehrling“ (und späteren Pfeifenmacher-Star)Tonni Nielsen bei der Arbeit.

Zehn Jahre verbringt Former bei Larsen und arbeitet sich vom Pfeifenmacher bis zum Werkstattleiter hoch. Er schult und „formt“ in dieser Zeit zudem junge Pfeifenmacher, die später selbst zu Stars der Szene wurden. Hier seien nur Tonni Nielsen und Teddy Knudsen genannt.

Es folgt der Sprung in die Selbstständigkeit. An Aufträgen mangelt es Hans nicht. Die Japaner sind ganz vernarrt in Hans Nielsen und seine geniale Qualität und Formensprache. Der deutsche Markt folgt und Hans wird zum Synonym für absolute Highend-Pfeifen. Das Jahr 1986 bringt dann aber noch einmal eine einschneidende Veränderung !

Die Shape-Übersicht der Bentley-Pfeifen.

Verlassen wir Dänemark für eine kurze Zeit und reisen nach Hamburg. Es ist 1984 und das langjährige Vorstandsmitglied bei Reemtsma, Horst Wiethüchter, geht in den wohlverdienten Ruhestand. Auf Rente hat er aber noch lange keine Lust. So kontaktiert er seinen Bekannten Hans Nielsen und unterbreitet Former eine ungewöhnliche Idee. Der Plan ist, unter dem Namen „Bentley“ hochwertige Kleinserienpfeifen anzubieten. Wiethüchter ist mit Hermann Lane bekannt, dem letzten Besitzer der Brunner Pfeifenfabrik in Kleinlützel/Schweiz. Man wird sich einig und Hans Nielsen zieht in die Schweiz, an die Grenze zum französischen Jura.

Die ehemalige Brunner Pfeifenfabrik. Für Former zehn Jahre die Wirkungsstätte, in der die „Bentleys“ entstanden.

Wie nicht anders zu erwarten, entwickeln sich die von Hans für Bentley gefertigten Pfeifen schnell zu einem großen Erfolg. Absolutes Top-Niveau in der Fertigung, dabei beileibe keine Sonderangebote, jedoch weit von der deutlichen Vierstelligkeit entfernt, die Formers Pfeifen für gewöhnlich ziert.

Das Geschäft läuft und auch die Liebe kommt zu ihrem Recht. Former lernt die Tochter des letzten Brunner-Werkstattleiters kennen und die beiden jungen Leute verlieben sich. Sehr nachhaltig, übrigens…noch heute sind Daniela und Hans ein Paar, das füreinander geschaffen ist.

Noch zwei Meisterstücke aus Formers Hand.

Nach zehn Jahren aber ruft nicht nur die Heimat Dänemark. Former merkt, dass er auf Dauer zu wenig Kreativität ausleben kann, ihm das Holz durch die Maschinen nicht nah genug kommt. Mit einem Zwischenstop in Lauenburg finden die beiden schließlich ein Häuschen in Toksvaerd, einem kleinen Dörfchen nahe Kopenhagen. Ganz in der Nähe wohnt auch ihr langjähriger Freund  Sven Knudsen, was die Entscheidung zusätzlich beeinflusst. Dort leben und arbeiten Hans und Daniela bis heute, wobei Freunde von ihnen sagen, dass das Paar hauptsächlich in der Werkstatt wohnt. Dort schaffen sie gemeinsam immer noch die Pfeifen, die wie ein Zauber die Begeisterung von Pfeifenfans in aller Welt auf sich ziehen.

Eine Apple, wie aus dem Bilderbuch !

Wer das Glück hat, Hans Nielsen kennenzulernen, vergisst diesen Menschen nie. Immer noch umspielt Leichtigkeit seine Bewegungen, ist er zugewandt und freundlich, geduldig und nachsichtig. Er mag der „Godfather of Pipe“ sein und für immer bleiben…aber, er ist einfach nur Hans „Johnny“ Nielsen. Eine lebende Legende ohne Starallüren. Wünschen wir Ihm und uns, dass er der Pfeifenwelt noch lange erhalten bleibt.

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