
Legenden bilden sich oft aus großen Ereignissen heraus. Im Falle der Missouri Meerschaum Company war dieses Ereignis ein großes Unglück.
In Enschede, genauer in Achterhoek, betrieb der Drechsler Hendrik Tibbe im Jahr 1862 gemeinsam mit seinem Bruder eine Werkstatt zur Herstellung einfacher Möbel, wie sie von den Textilarbeitern im Umfeld gebraucht wurden. Ein im Mai dieses Jahres eher zufällig entstandener Großbrand zerstörte weite Teile von Enschede und auch die Familie Tibbe stand vor den rauchenden Trümmern ihres Zuhauses und der Fabrik. Die Familie fasste den mutigen Entschluss, die verbliebene Habe zusammen zu packen und ihr Glück fortan in Amerika zu suchen. Hendrik fand, gemeinsam mit seiner Frau, dem achtjährigen Sohn Anton und seinem Bruder Fritz in Washington/Missouri eine neue Heimat.
Dort gründeten sie im Jahr 1869 eine ähnliche Werkstatt, wie sie sie auch in Enschede geführt hatten. Doch, so recht schien auf die Tibbes, ihre Möbel und ihre Drechselkunst niemand gewartet zu haben. Das Geschäft lief eher schleppend.

Woher der Prototyp der Heldin dieser Geschichte, der Maiskolbenpfeife, stammt, ist nicht wirklich zu klären. Einerseits unterrichteten die Ureinwohner die Siedler schon sehr früh in verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten von Maiskolben. Vielleicht war auch da die Pfeife schon Thema. Schließlich hatten die eingeborenen Völker schon eine gewisse Raucherfahrung aufzuweisen. Andererseits war es in Anbaugebieten üblich, dass die Bauernjungen die seidigen Blätter des Maiskolbens klein schnitten und als Tabakersatz rauchten. Da mag die Idee der Pfeife aus einem Maiskolben auch nicht so weit weg gewesen sein. Fest steht, dass es ein Bauer namens John Schranke war, der erstmalig eine Pfeife aus einem Maiskolben und einem Schilfhalm fertigte und mit dieser Urform bei den Tibbes vorstellig wurde. Hendrik, der sich der Einfachheit halber inzwischen Henry nannte, könne doch drechseln. Ob er nicht ein paar Kolben zurecht drechseln und bohren könne, um daraus solche Pfeifen zu machen. Henry konnte, fertigte etliche Exemplare dieser Ur-Corncob an und legte ein paar Stück auch in die Auslage seiner Werkstatt. Die Familie Tibbe war entsprechend verblüfft, als sich diese Pfeifen im Handumdrehen verkauften. Geht etwas gut, mach`mehr davon ! Gesagt,getan!

Tibbe machte mehr davon, deutlich mehr…und verkaufte die Pfeifen, wie am Fließband. Schon 1877 musste er in eine größere Halle umziehen. Der Vorteil war, dass diese Halle vormals als Schmiede diente und die vorhandene Dampfmaschine ermöglichte, dass Tibbe industriell fertigen konnte.
Der nächste Fortschritt in der Fertigung ergab sich im Jahr 1879. Bei dem für die Pfeifenzwecke benötigten Mais handelt es sich um eine spezielle Sorte mit dem Namen Collier Seed. Der Vorteil des, gut durchgetrockneten Kolbens ist, dass er sehr leicht wird und zusätzlich sehr porös ist. Diese Eigenschaften führten auch zur eher scherzhaften Bezeichnung „Missouri Meerschaum“. Die war von Tibbe aber klug gewählt. Pfeifen aus Meerschaum kannte und schätzte man weltweit. Sie waren teuer, rauchten sich aber perfekt. So bekamen seine Corncobs ein wenig vom Glamour der berühmten Schwestern ab. Hinter vorgehaltener Hand bezeichnete die Landbevölkerung die Pfeifen allerdings eher scherzhaft als „Barnyard Briar“ ( Scheunenhof Bruyere).

Die Oberfläche der Kolben war aber rauh, struppig und unansehnlich. Tibbe sann auf Abhilfe und fand Ludwig Münch, einen deutschstämmigen Drogisten aus Washington. Gemeinsam entwickelten sie ein Verfahren, das heute noch zur Glättung der Kolben Verwendung findet. Eine besondere Gipsmischung wurde auf die Kolben aufgetragen und konnte, nach guter Durchtrocknung, glatt geschliffen und zum Schluss mit Schellack versiegelt werden. Ein aufwändiges und für die Arbeiter sehr staubiges Verfahren, was den Pfeifen aber zu einer deutlich edleren Oberfläche verhalf. Nicht nur das, der Gips erhöhte zeitgleich auch die Aufnahmefähigkeit an Feuchtigkeit und machte die Corncobs noch angenehmer rauchbar. Am 06.07.1878 erhielt Tibbe darauf ein Patent.
Sein Sohn Anton wurde Teilhaber, die Firma in Tibbe & Son umbenannt und nach anhaltendem Erfolg machten sich Vater und Sohn 1887 auf den abenteuerlichen Weg zur Weltausstellung nach Brüssel.
Dort präsentierte man sich als Massenhersteller von Maiskolbenpfeifen und konnte eine beachtliche Menge an Aufträgen einheimsen. Von Stund an produzierte man Corncobs nicht nur, man wurde auch zum Exporteur.

Es war nun nicht so, dass die Tibbes ohne Mitbewerber waren. Allein in Washington gab es noch zwei konkurrierende Unternehmen, auch in Ohio, genauer bei der Akron Smoking Pipe Company und in Huntington/Kanada wurden Corncobs gefertigt. Kein Unternehmen war aber erfolgreich genug, um den Tibbes die Stirn bieten zu können.
1883 zog man aus Kapazitätsgründen erneut in ein größeres Gebäude um. Washington/ Missouri wurde endgültig zur „Hauptstadt der Maiskolbenpfeife“ und die gesamte Bevölkerung der Stadt profitiere davon. Im Rahmen der Elektrifizierung wurden auch Straßen und Haushalte mit Strom und Licht versorgt, zudem entstand ein Telefonnetz. Anton Tibbe war da bereits Vater von vier erwachsenen Kindern und so wurden Anton jr., Henry jr., Madelaine und Jon Tibbe die neuen Geschäftsführer .Allerdings nicht mehr als Besitzer der Firma, sondern als Aktionäre.

Neuer Besitzer der Firma war Edmund Henry Otto und die Firma wurde als „Buescher Corn Cob Pipe Company“ in eine AG umgewandelt. Zum Beginn der 1920er Jahre gab es für die Corncob auch in Europa eine spannende Entwicklung zu vermelden. Der Maiskolben war plötzlich „in“…und das auch und gerade bei Leuten, die sich ansonsten mit den besten englischen Pfeifen und türkischen Meerschaumkunstwerken umgaben und es sich ohne Probleme auch leisten konnten. Kein Geringerer als Alfred Dunhill machte zu dieser Zeit die Corncob in London und New York bekannt. Es wurde bei den Reichen und Schönen schick, dieses „ländliche Produkt“ zu rauchen-quasi als existenzialistisches Gegenstück zu ihren sonstigen Luxuspfeifen. der Firma Buescher wird es recht gewesen sein.

1941 wurde der namensgebende George Buescher zum Vorsitzenden des Unternehmens gewählt. Buescher handelte mit Pfeifen aller Art und kannte den Markt. Deshalb kaufte er in weiser Voraussicht die Firma Pugh Co. Pipe aus Bowling Green/Missouri.
Die Pugh Co. führte im Jahr 1894 die Peerless Hickory Pipe ein, eine Hartholzpfeife, die in ganz Amerika bekannt und beliebt wurde. Wie es Buescher vorausgesehen hatte, wurde aufgrund des Krieges die Lage im Maisanbau so prekär, dass seine Firma auf Walnussholz umschwenkte und fortan Pfeifen aus Hartholz produzierte. Für die Prominenz waren aber immer noch ein paar Corncobs übrig. So bekam zum Beispiel General Mac Arthur auch während des Krieges frische Pfeifen an seine Frontabschnitte geliefert. Marketing war halt auch damals schon wichtig und die Buescher Company darin sehr erfolgreich. Das war die Walnussholzpfeife aber auch…und zwar so sehr, dass man sie auch nach Kriegsende parallel zur Maiskolbenpfeife weiter im Programm behielt.

Buescher ruhte sich aber auf dem Erfolg nicht aus. 1946 beauftragte er Dr. Markus Zuber von der Universität Missouri mit der Überwachung des Maisanbaus und mit der Forschung nach besseren Kolben. Größer sollten sie werden, mehr Durchmesser entwickeln und verholzter, stabiler sollten sie sein. Nicht nur das gelang. Man konnte auch von farbigem auf weißen Mais umzüchten, da der z.B. bei der Herstellung von Tortillas sehr gefragt war. Von da an lieferte die Fa.Buescher das Saatgut an die Bauern, um sicher zu sein, dass die Qualität den Anforderungen entsprach.
Der absolute Gipfel des Erfolgs wurde dann in den 60er Jahren erreicht. Das Unternehmen produzierte täglich (!) etwa 15000 Corncobs und Hartholzpfeifen in 70 verschiedene Formen, es wurde in über 60 Länder exportiert und dort wurden rund 7000 Verkaufsstellen beliefert. Was in den 20er Jahren in London und New York begann, setzte sich nun weltweit fort. Die Corncob wurde zum „Anti-Statussymbol“ unter Pfeifenrauchern und festigte diesen Platz über viele Jahre. Die Familie Otto, seinerzeit schon die Besitzerin, ist bis heute federführend im Unternehmen. Der schwindende Markt ging auch an Missouri Meerschaum nicht spurlos vorbei. Fertigten in den 90er Jahren noch rund 50 Mitarbeiter etwa 6000 Pfeifen pro Tag wurde das Angebot in den darauffolgenden Jahren in Formen und Varianten merklich eingedampft.

Um die Jahre 2000-2010 schien es so, als sei die Corncob ziemlich aus der Mode gekommen. Doch, in Missouri machte man sich Gedanken, handelte klug und band auch neue, “junge“ Medien mit ein. Gerade ,um auch den Pfeifennachwuchs für den Kult zu interessieren. Es funktionierte. „Rebellen“ wie zum Beispiel die Dagner-Truppe brachten die Corncob auf den „angesagten“ Stand und da befindet sie sich heute noch. Missouri Meerschaum bietet Sondermodelle, macht Pfeifen für Messen, Treffen und Clubs und bietet etliche Merchandise-Artikel an, die es den Fans ermöglichen, sich auch nach außen hin mit der Marke zu identifizieren.

Schön, dass es auch im deutschsprachigen Raum eine Handvoll engagierter Händler gibt, die die Corn-und Hickory-Freunde mit dem gewünschten „Stoff“ versorgen. Ob man nun Fan dieser Marke ist oder nicht, eines muss man den Missouri-Leuten lassen…für ein über 150 Jahre altes Unternehmen sind sie mächtig jung geblieben und haben sich den Gegebenheiten immer perfekt angepasst. Möge ihnen der Erfolg auch weiterhin treu bleiben!
