Er war ein Pionier, der Achille Savinelli Senior. Als er im Sommer 1876 in der Via Orefici 2, in Mailand, nahe der berühmten Piazza Duomo seinen kleinen Laden eröffnete, war es eines der ersten Geschäfte der Welt, in denen ausschließlich Tabakwaren und Rauchutensilien gehandelt wurden. Das war doppelt mutig, denn Achille musste dazu auch manchen Strauß mit dem italienischen Staat ausfechten, der seinerzeit das Tabakmonopol besaß.
Es sprach sich herum und so wurde Savinellis Tabakgeschäft rasch zum zentralen Treffpunkt der Rauchfreunde. Man schmauchte, tauschte sich aus und pflegte Freundschaften. Achille Sr. entwarf Pfeifenmodelle, die er von Machern im Raum Varese anfertigen ließ und in seinem Geschäft anbot. Da zeitgleich sein Bruder und seine Schwester nach Genua zogen, um auch dort, in der Galleria Mazzini, ein Pfeifengeschäft zu eröffnen, gewann der Name Savinelli schnell an Bekanntschaft und Klang in der italienischen Pfeifenwelt.

Achille Savinelli Sr. hatte bereits den Geschäftssinn, der sich in kommenden Generationen fortsetzen sollte. Schon 1881 stellte er einige seiner Pfeifen auf dem Vorläufer der Mailänder Messe, der Esposizione Industriale Italiana, aus und hatte beachtlichen Erfolg damit. Neun Jahre später gab er die Geschicke des noch kleinen Unternehmens in die Hände seines Sohnes Carlo.
Der führte auch den kleinen Laden in Mailand nach altem Stil weiter und tat das letztlich fünfzig Jahre lang. Carlo verfügte über eine gute Menschenkenntnis und besondere Empathie. So wurde der Laden nicht nur zentraler Mittelpunkt des Unternehmens Savinelli, er wurde auch zum bedeutenden Treffpunkt für Kaufleute und Kunsthandwerker der Branche. Manch bedeutsames Geschäft, manche Verbindung nahm hier ihren Anfang.
1918 wurde Carlos Sohn, Achille Jr., geboren. Schon von frühester Jugend an mochte sich Achille nicht dem bunten Treiben im elterlichen Geschäft anschließen. Er verbrachte seine Zeit lieber in den stillen Hinterzimmern des Ladens, wo er sich in der Werkstatt am Pfeifenbau versuchte und verschiedene Ideen entwickelte. In dieser Werkstatt entstand dann auch die erste, richtige SAVINELLI. Achille beschloss, eine Pfeifenbau-Lehre zu absolvieren. Der Ausbruch des zweiten Weltkrieges machte ihm einen Strich durch diesen Plan und die folgenden fünf Jahre verbrachte er im Militärdienst.
Nach seiner Rückkehr nahm er sich die Zeit, den italienischen Pfeifenmarkt genau zu analysieren und kam zu wegweisenden Entschlüssen.

Ihm fiel auf, dass die meistverkauften Pfeifen in Italien aus dem Ausland kamen. Dabei war er fest davon überzeugt, dass die italienische Industrie qualitativ bessere Pfeifen fertigen könne. Die italienischen Pfeifenproduzenten waren zwar, wie Rossi z.B., riesig groß, die von ihnen produzierte Qualität war aber weit von dem entfernt, was Achille vorschwebte. Er beschloß , selbst Pfeifen fertigen zu wollen. Das allerdings in einem Stil und Umfang, wie es das Gefüge des elterlichen Geschäfts niemals ermöglichen würde.
Achille Jr. gewann seine besten Freunde, Amleto Pomé und Mario Veturruzzo, für seine Idee, stellte ein Team von fünfzehn Leuten zusammen und 1948 öffnete die neue Pfeifenfabrik SAVINELLI in der Nähe von Gavirate ihre Tore. Genau in der Gegend, in der sein Großvater schon sechzig Jahre zuvor die Pfeifen für sein Geschäft in Auftrag gegeben hatte.

Man begann mit dem Bau von Pfeifen, deren Ästhetik und Qualität bislang aus und in Italien völlig unbekannt war. Eine Tatsache, die den erfolgreichen Start von Savinelli bedeutend erschwerte. Im Ausland kannte man nur die Pfeifen aus italienischer Massenproduktion, die zwar millionenfach importiert und geraucht wurden, die aber im Qualitätsanspruch weit hinter den etablierten Pfeifenproduzenten zurück blieben. Die Händler scheuten sich, eine Savinelli neben einer Dunhill oder einer Comoy anzubieten und auch die Pfeifenkunden waren äußerst skeptisch. Achille Savinelli Jr. ließ sich davon aber nicht entmutigen und sollte Recht behalten. Schon ein Jahr später war man in der ganzen Welt voll des Lobes über seine Pfeifen. Ihre geschmackvolle Formgebung, ihre ideale Austarierung und ihre hohe Qualität machten sie rasch zu ernsthaften Mitbewerbern auf dem internationalen Markt.
Man kann heute mit Recht behaupten, dass Savinelli dafür ausschlaggebend war, dass italienische Pfeifen von diesem Zeitpunkt an in der übrigen Welt eine deutliche Aufwertung erfuhren. Man verband sie nicht mehr nur mit Massenproduktion.

Viele Jahre lang hat es Achille Jr. verstanden, die Marke SAVINELLI zu kultivieren und zu pflegen. Spezielle Produktionsabläufe wurden eingeführt, besondere Herstellungarten zum festen Bestandteil des Programms und der Markenruf so ausgebaut und gefestigt, dass man in allen ersten Häusern gern gesehener Teil des Angebotes war und ist. Man könnte glauben, dass eine leichte Aufgabe wartete, als Achille Jr. die Führung des Unternehmens in die Hände seines Sohnes Giancarlo gab. Doch, der übernahm die Geschicke zu einer Zeit, als die Pfeife sich bereits deutlich im Abwind befand und die Abläufe deutlich schneller und kurzlebiger wurden. Zum Glück hat Giancarlo das Geschick des Großvaters im Umgang mit Menschen und besonderen Situationen geerbt.

Gemeinsam mit seiner Hauptgeschäftsführerin Sonia Rivolta gelang es ihm, dass Unternehmen um- oder besser, neu aufzustellen, um für das digitale Zeitalter gerüstet zu sein. So werden im Werk heute auch Humidore für einen Luxusanbieter gefertigt und mit der Zweitverwertungsmarke ROSSI hat Savinelli ebenfalls beachtlichen Erfolg. Dazu kam es übrigens, weil Savinelli aus der alten Freundschaft zum Hause Rossi heraus die Rechte am Namen aufkaufte.
Wenn man nach Besonderheiten bei Savinelli sucht, fällt einem zunächst auf, dass dort nicht jeder Mitarbeiter alle Arbeitsschritte durchführt. Die jeweiligen Abteilungen sind von immer dem gleichen Personal besetzt. Dabei gibt es gerade einmal knapp dreißig Mitarbeiter. Das ist nicht die Zahl, die man in einer „Fabrik“ erwartet. Es handelt sich eher um eine große Manufaktur. Die Philosophie hinter dem Umstand, dass jeder nur einen speziellen Bereich bearbeitet, ist die, so zu perfekten Fachleuten zu kommen. Man könnte zwar auch damit argumentieren, dass es zu einer merklichen Abstumpfung führen kann, wenn man Jahr und Tag die gleiche Arbeit macht, Savinelli scheint mit diesem System aber gut zu fahren, denn man hält überzeugt daran fest.
Durch die Standard-Shapes des Hauses zieht sich die englische Klassik, wie ein roter Faden. Kein Wunder, war der Markt doch zum Zeitpunkt, als Achille Jr. die Firma gründete, fest in der Hand des englischen und französischen Stils.
Sein Geschick und seine Cleverness zeigen sich darin, kein radikal neues Design eingeführt zu haben, um bewusst „anders“ zu sein. Stattdessen griff er die klassischen Linien auf und veränderte, kombinierte sie mit sicherer Hand…und zwar so, dass auch reine Klassik-Liebhaber Freude daran fanden und finden.

Wer beispielsweise die 616er Bent in den Händen hält, erkennt sofort die traditionellen, gedrungenen Linien der englischen Schule des frühen, zwanzigsten Jahrhunderts- allerdings deutlich vergrößert und in den Proportionen etwas nachgearbeitet. Eine 121 ist eigentlich eine klassische Pot. Durch Kosmetik am Holm und den leichten Schwung entsteht aber etwas Neues in Savinelli-Eleganz. Ähnliches gilt für die 315er Prince. Leichte Retuschen hier und da sorgen für die Savinelli-Formensprache, obwohl sie eine klassische Prince bleibt. Das wohl beste Beispiel ist eine, der beliebtesten Pfeifen im Savinelli-Programm- die 320 Author. Sie lehnt sich an das klassische Author-Design an, betont aber den Kopf, schafft einen eleganteren Übergang zum Holm und wird so vom englischen Stiernacken zur italienischen Besonderheit.
Hinzu kommt bei Savinelli ein ungeheures Geschick, mit Farben, Applikationen und Mundstückmaterialien zu variieren. Wer genau hin sieht, wie viele Varianten z.B. von der 320 durch Oberflächen, Ringe, Farben und Mundstücke geschaffen wurden, kann sich nur staunend verneigen.

Die Serienfertigung macht bei Savinelli 98% der Produktion aus. Doch, auch die restlichen 2% haben es über die Jahre zu legendärem Ruf gebracht. Da sind die Mr.A.-Handmades, die hierzulande weniger bekannt und gefragt sind, dazu kommen die „Artisan“-Modelle und vor allem die „Autograph“-Pfeifen. Für diese Serien werden keine Hölzer aus der normalen Produktion verwendet, sondern extra Ebouchons gekauft und gelagert. Zur Herstellung dieser Pfeifen muss die übrige Produktion gestoppt werden, da die geschicktesten Mitarbeiter herausgesucht werden, um allein oder in Zweier-Teams diese Pfeifen zu fertigen. Für die „Artisans“ und noch mehr für die „Autographs“ werden ganz besondere Ansprüche an das Holz und die Verarbeitung gestellt, sowie nur handgeschnittene Mundstücke verwendet. Bei den Shapes gibt es, anders als in der Serienproduktion, keine Vorgaben. Es entstehen die Formen, die dem Holz am besten und schönsten folgen. „Artisans“ erkennt der Pfeifenfreund durch einen , bündig eingelegten, Punkt aus Bruyere auf dem Mundstück und die legendären „Autographs“ tragen ( der Name legt es nahe) die Unterschrift von Achille Savinelli auf dem Mundstück.

Ob nun diese „Platzhirsche“ oder die Pfeifen der Serienproduktion, die Familie Savinelli hat es über vier Generationen geschafft, ihrem Namen zu großer Achtung in der Pfeifenwelt zu verhelfen. Bleibt zu hoffen, dass es auch im immer schwieriger und kleiner werdenden Pfeifenmarkt weiterhin gelingt. Schließlich wartet mit Giancarlos Sohn Achille schon die nächste Generation darauf, die Geschicke des norditalienischen Unternehmens zu steuern. Er wird Geschick, Anpassungsfähigkeit und Glück brauchen. Wünschen wir es ihm.
